Samstag, 15. Januar 2011

Abmahnung wegen unangemessen Auftretens eines Paparazzo

Ein angestellter Fotograf darf den Ruf seines Arbeitgebers nicht durch unkorrektes Verhalten an einem Unfallort ramponieren.


Eine hierauf bezogene Abmahnung muss aber eine Warnfunktion erfüllen. D.h., dass in der Abmahnung klar und deutlich stehen muss, welche Verhaltensweisen der Arbeitgeber erwartet. Andernfalls kann auf dieser Grundlage bei Wiederholung nicht gekündigt werden. 






BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 23.6.2009, 2 AZR 283/08 
Abmahnung - Warnfunktion 
Tenor 
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts 
Niedersachsen vom 18. Dezember 2007 - 11 Sa 372/07 - wird auf Kosten der 
Beklagten zurückgewiesen. 
Tatbestand 

1 Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer von der Beklagten auf verhaltensbedingte 
Gründe gestützten ordentlichen Kündigung. 
2 Der 1944 geborene Kläger trat 1965 in die Dienste der beklagten Presseagentur. Er war als 
Fotograf, lange Zeit auch als Leiter eines Bildbüros beschäftigt. 
3 Die Beklagte sprach gegenüber dem Kläger am 23. September 2004 eine Abmahnung aus, mit 
der sie ihm vorwarf, ein Fernsehinterview gestört zu haben. Das Landesarbeitsgericht 
Niedersachsen verurteilte die Beklagte zur Herausnahme dieser Abmahnung aus der 
Personalakte, weil der gegen den Kläger erhobene Vorwurf nicht klar und bestimmt genug in der 
Abmahnung beschrieben sei (4. September 2006 - 11 Sa 1318/05 -). Eine weitere Abmahnung 
sprach die Beklagte am 15. September 2005 aus, weil der Kläger sich bei einem Empfang der 
Stadt G gegenüber mehreren Personen unangemessen geäußert habe. Die Beklagte wurde 
vom Landesarbeitsgericht Niedersachsen rechtskräftig zur Herausnahme auch dieser 
Abmahnung aus der Personalakte verurteilt (18. Dezember 2007 - 11 Sa 384/07 -). 
4 Der hier streitigen Kündigung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Am 22. November 2005 war 
in der Nähe des Bahnhofs H eine Lokomotive entgleist. Der Kläger suchte die Unfallstelle auf, 
um Fotos zu machen. An dem auf freier Strecke gelegenen Unglücksort anwesende Polizisten 
forderten den Kläger auf sich auszuweisen. Er gab sich mündlich als Fotojournalist zu erkennen, 
zeigte seinen Presseausweis jedoch nicht vor. Die Polizisten forderten ihn daraufhin auf, den 
Gleisbereich zu verlassen, was der Kläger auch tat. Seine Aufnahmen hatte er zu diesem 
Zeitpunkt schon gemacht; sie wurden auch veröffentlicht. Mit E-Mail vom 28. Februar 2006 teilte 
die Pressestelle des zuständigen Bundespolizeiamtes der Beklagten den Sachverhalt mit. Da 
der Kläger den Ort zunächst nicht freiwillig verlassen habe, sei ein Platzverweis ausgesprochen 
worden, dem er nachgekommen sei. Die E-Mail schließt mit dem Satz: „Mit Verlassen der 
Unfallstelle war der Vorgang für uns erledigt.“ 
5 Mit Schreiben vom 23. März 2006 bat die Beklagte den Betriebsrat um Zustimmung zur 
beabsichtigten ordentlichen Kündigung des Klägers. Dabei teilte sie den Vorfall 
„Eisenbahnunglück“ mit, nicht jedoch den Abschlusssatz aus der E-Mail des Bundespolizeiamtes. Der Betriebsrat erklärte am 27. März 2006 seine Zustimmung. Daraufhin 
sprach die Beklagte mit Schreiben vom 27. März 2006 die streitgegenständliche Kündigung aus. 
6 Der Kläger hält die Kündigung für unwirksam. Der Betriebsrat sei nicht ordnungsgemäß 
angehört worden, weil die Beklagte ihm den letzten Satz aus der E-Mail der Bundespolizei 
vorenthalten habe. Er habe sich nicht vertragswidrig, sondern allenfalls ungebührlich verhalten. 
Das rechtfertige umso weniger eine Kündigung, als er seit 1965 beschäftigt sei, in seinem Alter 
keine adäquate neue Beschäftigung finden könne und wirksame Abmahnungen nicht 
ausgesprochen worden seien. 
7 Der Kläger hat beantragt 
        festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 27. März 
2006, dem Kläger zugestellt am 30. März 2006, nicht beendet worden ist. 
8 Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, der Betriebsrat sei 
ordnungsgemäß angehört worden. Durch sein Verhalten bei dem Eisenbahnunglück habe der 
Kläger seine Vertragspflichten verletzt. Er sei auch zweimal einschlägig abgemahnt worden. 
Zwar sei rechtskräftig festgestellt, dass die Abmahnungen vom 23. September 2004 und vom 
15. September 2005 aus der Personalakte zu entfernen seien. Doch habe die Beklagte zweimal 
wegen Verletzungen desselben Pflichtenkreises gegenüber dem Kläger Abmahnungen 
ausgesprochen. Auch eine in ihrer Berechtigung bestrittene Abmahnung könne die erforderliche 
Warnfunktion erfüllen. 
9 Das Arbeitsgericht hat nach dem Klageantrag erkannt. Das Landesarbeitsgericht hat die 
Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Bundesarbeitsgericht zugelassenen 
Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter. 
Entscheidungsgründe 

10 Die Revision ist unbegründet. Die Kündigung der Beklagten hat das Arbeitsverhältnis der 
Parteien nicht aufgelöst. 
11 I. Die Kündigung ist sozial ungerechtfertigt iSd. § 1 KSchG, weil sie nicht durch Gründe iSd. § 1 
Abs. 2 Satz 1 KSchG bedingt ist. Die von der Beklagten vorgetragenen Tatsachen rechtfertigen 
nicht den Schluss, es lägen verhaltensbedingte Kündigungsgründe iSd. § 1 Abs. 2 KSchG vor. 
12 1. Eine Kündigung aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers iSv. § 1 Abs. 2 KSchG ist 
sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer mit dem ihm vorgeworfenen Verhalten eine 
Vertragspflicht - idR schuldhaft - erheblich verletzt, das Arbeitsverhältnis konkret beeinträchtigt 
wird, eine zumutbare Möglichkeit anderer Beschäftigung nicht besteht und die Lösung des 
Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile billigenswert und 
angemessen erscheint (st. Rspr., vgl. Senat 13. Dezember 2007 - 2 AZR 818/06 - Rn. 37, AP 
KSchG 1969 § 4 Nr. 64 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 82; 31. Mai 2007 - 2 AZR 200/06 - zu B II 1 
der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 57 = EzA KSchG § 1 
Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 71). 
13 a) Auch die schwerwiegende Verletzung von vertraglichen Nebenpflichten, wie sie hier in Rede 
steht, kann einen verhaltensbedingten Kündigungsgrund darstellen und den Arbeitgeber im 
Einzelfall sogar zur außerordentlichen Kündigung berechtigen (Senat 12. März 2009 - 2 ABR 
24/08 -; 19. April 2007 - 2 AZR 78/06 - AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 77; 2. März 2006 - 
 2 AZR 53/05 - AP BGB § 626 Krankheit Nr. 14 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 16; BAG 15. Januar 
1986 - 7 AZR 128/83 - AP BGB § 626 Nr. 93 = EzA BGB § 626 nF Nr. 100). 
14 b) Für eine verhaltensbedingte Kündigung gilt das Prognoseprinzip. Der Zweck der Kündigung ist nicht eine Sanktion für eine begangene Vertragspflichtverletzung, sondern die Vermeidung 
des Risikos weiterer erheblicher Pflichtverletzungen. Die vergangene Pflichtverletzung muss 
sich deshalb noch für die Zukunft belastend auswirken (st. Rspr., vgl. Senat 13. Dezember 
2007 - 2 AZR 818/06 - Rn. 38, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 64 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 82; 31. Mai 
2007 - 2 AZR 200/06 - zu B II 1 der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte 
Kündigung Nr. 57 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 71). Eine negative 
Prognose liegt vor, wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus 
resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden kann, der Arbeitnehmer werde auch 
zukünftig den Arbeitsvertrag nach einer Kündigungsandrohung erneut in gleicher oder ähnlicher 
Weise verletzen (Senat 13. Dezember 2007 - 2 AZR 818/06 - aaO). Deshalb setzt eine 
Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung regelmäßig eine vorausgegangene 
einschlägige Abmahnung voraus. Diese dient der Objektivierung der negativen Prognose. Liegt 
eine ordnungsgemäße Abmahnung vor und verletzt der Arbeitnehmer erneut seine 
vertraglichen Pflichten, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch zukünftig 
zu weiteren Vertragsstörungen kommen (Senat 13. Dezember 2007 - 2 AZR 818/06 - aaO). 
Außerdem ist die Abmahnung als milderes Mittel in Anwendung des 
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (vgl. zum zivilrechtlichen Übermaßverbot: v. Hoyningen- 
Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 1 Rn. 479; zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz: Eichenhofer 
NJW 2008, 2828) einer Kündigung vorzuziehen, wenn durch ihren Ausspruch das Ziel - 
 ordnungsgemäße Vertragserfüllung - erreicht werden kann (vgl. HaKo/Fiebig 3. Aufl. § 1 
Rn. 312). 
15 2. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, dass die vorstehend bezeichneten 
Voraussetzungen nicht vollständig gegeben sind, ist im Ergebnis revisionsrechtlich nicht zu 
beanstanden. 
16 a) Gut nachvollziehbar ist die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, dass der Kläger mit 
seinem Verhalten bei dem Eisenbahnunglück im November 2005 gegen seine dienstlichen 
Pflichten verstoßen hat. Dass das an den Kläger gerichtete Verlangen der Polizeikräfte, er 
möge seinen Presseausweis vorzeigen, rechtswidrig oder auch nur irgendwie unangemessen 
in der Sache oder in der Form gewesen wäre, macht der Kläger selbst nicht geltend. Auch die 
Rechtmäßigkeit des ihm gegenüber ausgesprochenen Platzverweises stellt der Kläger nicht in 
Abrede. Wenn die Beklagte im Übrigen auf ein höfliches und korrektes Verhalten ihrer 
Bildberichterstatter Wert legt, so steht dies im Einklang mit dem Pressekodex des deutschen 
Presserats. 
17 b) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist auch, dass das Landesarbeitsgericht das 
Vorliegen einer einschlägigen Abmahnung für erforderlich gehalten hat. 
18 aa) Allerdings kann eine Abmahnung bei schweren Pflichtverletzungen entbehrlich sein. Bei 
einer schweren Pflichtverletzung ist nämlich regelmäßig dem Arbeitnehmer die 
Rechtswidrigkeit seines Handelns ohne Weiteres genauso erkennbar, wie der Umstand, dass 
eine Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist (st. 
Rspr., vgl. Senat 31. Mai 2007 - 2 AZR 200/06 - AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte 
Kündigung Nr. 57 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 71; 12. Januar 2006 - 
 2 AZR 179/05 - AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 54 = EzA KSchG § 1 
Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68). 
19 bb) Ein solcher Fall lag jedoch nicht vor. Zum einen handelte es sich um eine vertragliche 
Nebenpflicht. Das Arbeitsverhältnis als Austauschverhältnis war nicht beeinträchtigt: Der Kläger 
hat seine Arbeit getan. Die Beklagte hat die Ergebnisse dieser Arbeit, im konkreten Fall die 
Bilder vom Unfallort, nutzen können und auch tatsächlich genutzt. Zum andern ist die von der 
Revision ins Feld geführte „grundsätzliche“ Eignung des Verhaltens zur Rufschädigung und 
langfristigen Geschäftsbeeinträchtigung nicht ausreichend. Dass die Beziehung der Beklagten 
zur Bundespolizei konkret Schaden genommen hätte, trägt die Beklagte selbst nicht vor. 
Dagegen spricht auch der Schlusssatz der E-Mail vom 28. Februar 2006, nach dem der
Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die beiden Abmahnungen von 2004 und 2005 
hätten die Erfordernisse einer kündigungsrechtlich verwertbaren Abmahnung nicht erfüllt, ist im 
Ergebnis nicht zu beanstanden. 
21 aa) Ob eine Abmahnung ausnahmsweise auch dann die kündigungsrechtliche Warnfunktion 
erfüllen kann, wenn sie in der Sache nicht gerechtfertigt ist, braucht der Senat nicht zu 
entscheiden. Voraussetzung wäre jedenfalls, dass der Arbeitnehmer aus der unberechtigten 
Abmahnung erkennen kann, welches Verhalten der Arbeitgeber erwartet und welches 
Fehlverhalten er als so schwerwiegend ansieht, dass es ihm aus seiner Sicht Anlass zur 
Beendigung des Arbeitsverhältnisses geben werde (KR/Fischermeier 8. Aufl. § 626 BGB 
Rn. 275; Schunck NZA 1993, 828; LAG Köln 5. Februar 1999 - 11 Sa 565/98 - MDR 1999, 877; 
LAG Nürnberg 16. Oktober 2007 - 7 Sa 233/07 - LAGE BGB 2002 § 626 Nr. 14). 
22 bb) Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Die Abmahnung von September 2004 
benennt bereits kein konkret als Pflichtverletzung abgrenzbares Geschehen. Die Abmahnung 
von September 2005 beschreibt zwar den Tatsachenstoff, den die Beklagte als 
Vertragsverstoß wertet, teilt aber den Inhalt der von der Beklagten als verletzt angesehenen 
Vertragspflicht nicht hinreichend deutlich mit. Jedenfalls konnte der Kläger der Abmahnung 
nicht - anwendbar auf den Kündigungssachverhalt - entnehmen, was er nach Meinung der 
Beklagen „tun und lassen“ sollte. 
23 II. Ob, wie das Landesarbeitsgericht angedeutet hat, die Kündigung auch nach § 102 BetrVG 
unwirksam war, weil die Beklagte dem Betriebsrat den Schlusssatz aus der E-Mail der 
Bundespolizei vorenthalten hat, kann somit dahinstehen. 
24 III. Die Kosten der erfolglos bleibenden Revision fallen der Beklagten nach § 97 Abs. 1 ZPO zur 
Last. 
              




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