Hessisches Landesarbeitsgericht
Missbrauch von Bonuspunkten
Nach einer Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts kann der Missbrauch von
Bonuspunkten durch einen Mitarbeiter nicht immer ohne Abmahnung zum Ausspruch einer
außerordentlichen oder ordentlichen Kündigung berechtigen.
Hintergrund des Rechtsstreits war das Verhalten eines seit ca. 2 Jahren in einem
Tankstellenbetrieb beschäftigten Mitarbeiters. Der Betrieb nahm an einem EDV-unterstützten
Punkteprogramm teil, das es Kunden ermöglichte, für ihren Benzineinkauf Punkte auf ihrer
Kundenkarte zu sammeln. Der Mitarbeiter verbuchte während einer Schicht in drei Fällen
Umsätze von Kunden, die getankt und nicht an dem Programm teilgenommen hatten, in Höhe
insgesamt ca. € 230,00 auf die Kundenkarte eines seiner Kollegen. Nachdem der Arbeitgeber
hiervon Kenntnis erlangt hatte, sprach er eine fristlose hilfsweise ordentliche Kündigung des
Arbeitsverhältnisses aus. Der Mitarbeiter erhob daraufhin Kündigungsschutzklage und vertrat
die Ansicht, er habe aus Unkenntnis allenfalls einen Fehler gemacht, nicht aber in Kenntnis
eines Verbotes sich über dasselbige hinweggesetzt. Dies gelte insbesondere vor dem
Hintergrund, dass zu Zeiten des Bonussystems in Gestalt der Klebemarken diese jederzeit an
Dritte weitergegeben werden konnten.
Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat durch vorgenanntes Urteil der Klage stattgegeben.
Die gegen diese Entscheidung gerichtete Berufung des Arbeitgebers hatte keinen Erfolg. Auch
nach Ansicht des Hessischen Landesarbeitsgerichts war das Verhalten des Mitarbeiters nicht
geeignet, die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen.
Zwar folgte das Berufungsgericht der Auffassung des Arbeitgebers, dass das Verhalten des
Mitarbeiters, Tankbeträge fremder Kunden auf der Kundenkarte eines Kollegen zu verbuchen
als schwerwiegendes Fehlverhalten einzustufen sei. Zielsetzung von Kundenbindungssystemen
sei es, ohne dass es hierbei auf deren nähere Ausgestaltung (Klebemärkchen, elektronische
Punktesammlung auf einer Kundenkarte) ankomme, Kunden an das Unternehmen zu binden.
Der Kunde solle mittels der durch das Bonussystem erreichbaren Vorteile weitere Umsätze im Unternehmen und nicht bei Konkurrenzunternehmen tätigen. Nur hierfür sei der Arbeitgeber
bereit, dem Kunden Vorteile zukommen zu lassen, die für ihn mit finanziellen Belastungen
einhergingen. Würden Mitarbeiter hingegen die von Kunden nicht in Anspruch genommenen
Punkte für eigene Zwecke sammeln, werde die Absicht des Arbeitgebers unterlaufen. Dies
habe der Mitarbeiter auch erkennen können und deshalb die Buchungen auf Karten seines
Kollegen unterlassen müssen.
Allerdings hielt die Berufungskammer - ebenso wie schon das Arbeitsgericht - eine Abmahnung
oder einen vorherigen Hinweis auf die Missbrauchsfolgen nicht für entbehrlich. Der Arbeitgeber
hatte in dem Verfahren selbst ausgeführt, dass der Stationsmanager die Mitarbeiter auf die
Konsequenzen eines missbräuchlichen Verhaltens im Umgang mit der Kundenkarte
hingewiesen habe. Allerdings sei er nicht in der Lage gewesen, die Umstände, unter denen
dieser Hinweis an die Mitarbeiter und damit auch an den gekündigten Arbeitnehmer gegeben
worden sei, zu konkretisieren. Der Mitarbeiter habe bestritten, einen solchen Hinweis von dem
Stationsmanager erhalten zu haben. Vor dem Hintergrund, dass er im Schichtbetrieb gearbeitet
hatte, wäre es erforderlich gewesen, dass der Arbeitgeber die näheren zeitlichen Umstände
dargelegt hätte. Nur dann wäre es dem Kläger möglich gewesen, substantiiert zu dieser
Behauptung Stellung zu nehmen. Gerade vor dem Hintergrund eines rollierenden Mitarbeitereinsatzes gehöre es zum Beweisvortrag des Arbeitgebers, Tatsachen vorzubringen, aus denen
sich ergeben hätte, dass der gekündigte Mitarbeiter zum Zeitpunkt der behaupteten Hinweise
des Stationsleiters überhaupt im Betrieb gewesen sei und Gelegenheit gehabt habe, dem
Gespräch beizuwohnen.
Im Hinblick auf das vom Kläger gezeigte Fehlverhalten habe auch nicht auf eine Abmahnung
verzichtet werden können, zumal nicht angenommen werden könne, dass eine solche
Abmahnung nicht erfolgversprechend und deshalb entbehrlich gewesen sei.
Auch wenn die Zweckrichtung des Bonussystems es selbstverständlich mache, dass keine
fremden Kundenumsätze auf eigene Karten bzw. Karten von Arbeitskollegen gutgeschrieben
werden dürften, wäre im Hinblick auf die nach dem System teilweise zulässigen Umbuchungen
eine Abmahnung notwendig gewesen, um dem Mitarbeiter die Gelegenheit zu geben, sein
Verhalten entsprechend auszurichten. Eine uneinsichtige Fortsetzung des Fehlverhaltens durch
den Kläger könne nicht angenommen werden. Der Hinweis auf ein den Mitarbeitern
überlassenes mehr als 30-seitigen Bedienerhandbuch stelle keinen ausreichenden Hinweis dar.
Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass Mitarbeiter, die persönlich auf ein neues
Softwaresystem geschult würden, ein Bedienerhandbuch komplett durchlesen. Es wäre dem
Arbeitgeber ein leichtes gewesen, jedem Mitarbeiter auf einem Merkblatt eindeutig auf die
Unzulässigkeit der Buchung fremder Kundengeschäfte hinzuweisen. Aufgrund der unstreitig
nach den Kartenbedingungen möglichen Übertragung von Punkten auf andere Personen habe
bei dem Mitarbeiter ohne eine solche Verdeutlichung der Eindruck entstehen können, in
geringem Umfang Kundenpunkte einem Kollegen gutschreiben zu können, ohne dass dies zum
Verlust seines Arbeitsverhältnisses führen würde.
Hess. LAG, Urteil vom 4. August 2010 - 2 Sa 422/10
Vorinstanz: Arbeitsgericht Frankfurt am Main vom 26. November 2009 - 21 Ca 5136/09
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