Freitag, 7. Januar 2011

Beförderung - geschlechtsbezogene Benachteiligung

BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 22.7.2010, 8 AZR 1012/08

Tenor
Auf die Revision des Beklagten, die Anschlussrevision und die Revision der
Klägerin wird das Schlussurteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-
Brandenburg vom 26. November 2008 - 15 Sa 517/08 - aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die
Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand

1 Die Parteien streiten in zwei in der Revisionsinstanz verbundenen Verfahren darüber, ob der
Klägerin für die Vergangenheit und die Zukunft ein Schadensersatzanspruch wegen
geschlechtsspezifischer Benachteiligung bei einer Beförderungsentscheidung und zu dessen
künftiger Bezifferung Auskunftsansprüche gegen den Beklagten zustehen. Darüber hinaus
verlangt die Klägerin immateriellen Schadensersatz und stellt einen Feststellungsantrag
betreffend Schadensersatz für den Zeitraum ab Dezember 2006.
2 Der Beklagte ist ein rechtsfähiger wirtschaftlicher Verein. Er gliedert sich in zehn
Bezirksdirektionen und zwei Generaldirektionen. Eine Generaldirektion befindet sich in B, die
andere in M. Beide haben eigenständige Personalverwaltungen, denen jeweils eine Person
vorsteht, die - mit Ausnahme der Klägerin - bis zum 9. Dezember 2006 als Personalleiter/in
bezeichnet wurden. Übergeordnet war die Personaldirektion mit dem Personaldirektor. Dieser
wird seit dem 10. Dezember 2006 als Personalleiter, die Personaldirektion als
Personalabteilung bezeichnet.
3 Die 1961 geborene Klägerin hat 1986 eine Ausbildung zur „staatlich geprüften Betriebswirtin“
erfolgreich beendet. Sie war bei früheren Arbeitgebern ua. in der Personalentwicklungsarbeit
tätig. Seit Mitte 2007 ist sie als Schwerbehinderte anerkannt.
4 Die Klägerin war am 1. Januar 1993 bei dem Beklagten als Personalreferentin eingestellt
worden. Zum 1. Juli 1995 wurde ihr die Stellvertretung für die Personalverwaltung in B mit 340
Mitarbeitern übertragen. Ab Mai 2001 war die Klägerin in Teilzeit für die Beklagte tätig. Mit
Wirkung ab 1. Januar 2006 wurde sie zur Abteilungsleiterin der Abteilung Personalverwaltung
in der Personaldirektion B ernannt. Auf Basis einer „Zusatzvereinbarung“ zum
Anstellungsvertrag wurde sie ab 1. Oktober 2006 mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von
35,79 Stunden beschäftigt. Im Jahre 2007 erhielt sie eine monatliche Bruttovergütung von
4.647,24 Euro. In Zwischenzeugnissen vom 31. Januar 1999 und 16. Februar 2007 wurde der
Klägerin bescheinigt, dass sie „stets“ bzw. „jederzeit“ ihre Aufgaben „zu unserer vollen
Zufriedenheit“ erledigt habe.
5 Mitte der 1990-iger Jahre war Personalleiterin der Generaldirektion B Frau G und der
Generaldirektion M Frau S. Beide sind Juristinnen. Hierarchisch stellte der Beklagte die
Personalleiter den Abteilungsdirektoren gleich. Frau S ist Fachanwältin für Arbeitsrecht und
war 1990 vom Beklagten als Personalreferentin eingestellt worden. Zum 1. April 1994
übernahm Frau G kommissarisch die Leitung der Personaldirektion und Frau S wurde zu ihrer
Stellvertreterin berufen. Frau G schied Ende September 1999 bei dem Beklagten aus. Faktisch
leitete die Klägerin im Jahre 1999 die Personalverwaltung der Generaldirektion B für fünf
Monate bis Dr. Mü von dem Beklagten als Nachfolger für Frau G eingestellt wurde. Er ist
Fachanwalt für Arbeitsrecht. Mit Wirkung vom 1. Januar 2001 wurde ihm die Amtsbezeichnung
„Personaldirektor“ verliehen. Wegen Mutterschutzes und Erziehungsurlaubs/Elternzeit war die
Personalleiterin der Generaldirektion M S vom 14. August 1999 bis 7. Juli 2005 nicht
berufstätig. Seither arbeitet sie in Teilzeit. Ihr obliegt im Wesentlichen die juristische
Sachbearbeitung der Personaldirektion (ab Dezember 2006: Personalabteilung). Aufgaben der
Personalleitung nimmt sie seither nicht mehr wahr. Wegen ihres absehbaren Ausfalles suchte
der Beklagte mit Anzeige von Anfang August 1999 befristet für ca. zwei Jahre eine/n
Personalleiter/in für M. In der Anzeige wurde ein Schwerpunkt „konzeptionelle Personalarbeit“
ebenso wenig erwähnt, wie das Erfordernis eines Hochschulabschlusses. Nachdem an einer
befristeten Einstellung kein Bewerber Interesse gezeigt hatte, wurde zum 1. Januar 2000 Herr
R als Personalleiter der Generaldirektion M unbefristet mit einer 40-Stunden-Woche eingestellt.
Der 1960 geborene und an einer Hochschule ausgebildete Diplom-Ökonom mit dem
Ausbildungsschwerpunkt Personalwesen, Unternehmensführung und Organisation war bei
dem Beklagten von Anfang an der Ebene der Abteilungsdirektoren, dh. mindestens einer
Ebene über der Klägerin, zugeordnet. Zwischen dem 1. Januar 2007 und dem 31. Juli 2008
verdiente Herr R 28.214,66 Euro mehr als die Klägerin. Darin enthalten ist eine variable
Vergütung für 2007 in Höhe von 8.291,00 Euro. Bei dieser Differenzberechnung ist die
Teilzeittätigkeit der Klägerin entsprechend berücksichtigt.
6 Zum 1. Juli 2001 wurde der Personalleiter der Generaldirektion B und Personaldirektor Dr. Mü
mit gleichbleibendem Aufgabenbereich nach M versetzt. Nachdem er zunehmend
Justitiariatsaufgaben erfüllte, übernahm die Klägerin spätestens ab Sommer 2003 - nach ihrem
Vorbringen ab 2002 - die Aufgaben der Personalverwaltung B. Entsprechend wurde sie in den
Jahrbüchern des Beklagten als zuständig für die Personalverwaltung B bezeichnet und zwar
ab 2002 als Personalreferentin und ab 2006 als Abteilungsleiterin.
7 Zu ihren Aufgaben im Bereich der Personalentwicklung gehörte ua. im Jahre 1994 die
Erstellung eines Anforderungsprofils zur Einführung eines elektronischen
Zeiterfassungssystems. 1993/1994 und 1999 entwickelte sie ein Konzept zur Erstellung von
Stellen- und Tätigkeitsbeschreibungen. Für den Standort B führte sie konzeptionell und
organisatorisch Mitarbeiterbeurteilungsgespräche durch. Nach der Übertragung der
Traineeausbildung in den Jahren 1999/2000 auf den Personalbereich entwickelte die Klägerin
hierzu ein Konzept. Auch führte sie Weiterbildungsmaßnahmen und Schulungen zur DIDAS-
Datenbank durch.
8 Zu den Aufgaben, welche die Klägerin und Herr R jedenfalls bis zum 9. Dezember 2006 beide
wahrgenommen hatten, gehörte die Leitung der Personalverwaltung der jeweiligen
Generaldirektion. Dazu zählte ua. die Personalbetreuung mit dem Führen von
Bewerbungsgesprächen, Abfassen von Abmahnungen, Betriebsratsanhörungen vor
Kündigungen, die Kontroll- und Verantwortungsfunktion für die unterstellten Mitarbeiter sowie
Tätigkeiten der eigenen allgemeinen Personalentwicklungsarbeit. Beide waren im selben
Umfange zeichnungsberechtigt.
9 Anfang 2006 teilte Dr. Mü der Klägerin mit, dass er wohl die Leitung der neu zu gründenden
Rechtsabteilung übernehmen werde. Als sein Nachfolger für die Personaldirektion komme aus
seiner Sicht Herr R oder ein Externer in Betracht.
10
Im Dezember 2006 hatte die Personalstruktur beim Beklagten folgende Gestalt:
Männer Frauen Gesamt
Vorstand 3 0 3
Direktoren 15 0 15
Bezirksdirektoren 9 0 9
Abteilungsdirektoren 8 4 12
Stellv. Bezirksdirektoren 3 1 4
Abteilungsleiter 12 19 31
Fachreferenten 2 3 5
Fachjuristen 6 1 7
sonstige AT-Mitarbeiter 34 24 58
gesamter AT-Bereich 92 52 144
Gesamtbelegschaft 348 780 1128
Gesamtbelegschaft in %31 % 69 %
11 Zu dieser Zeit waren in den höchsten zwei Gehaltsstufen des nachwirkenden Tarifvertrages
und im außertariflichen Bereich 2/3 aller Männer und 1/3 aller Frauen eingruppiert. 95 % der
Teilzeitkräfte waren Frauen. Der Aufsichtsrat des Beklagten bestand aus 19 Männern und
zwei Frauen.
12 Am 9. Dezember 2006 erfuhr die Klägerin von Dr. Mü, dass Herr R sein Nachfolger werden
solle. Mit E-Mail vom 10. Dezember 2006 bat der jetzige Prozessbevollmächtigte der Klägerin
ua. um schriftliche Präzisierung der geplanten Maßnahme und um Mitteilung, wie sich künftig
die Stellung der Klägerin in der Betriebshierarchie und ihre Befugnisse darstellen sollten. Mit
Aushang vom 10. Dezember 2006 informierte der Beklagte darüber, dass Herr Personalleiter
R „mit sofortiger Wirkung zusätzlich zur Personalleitung der GD M die Personalleitung für die
GD B und die Bezirksdirektionen“ übernehme.
13 Mit Schreiben vom 17. Dezember 2006 wies die Klägerin gegenüber dem Vorstandsmitglied
Dr. H ua. darauf hin, dass ihr nicht klar sei, wie sich ihre Stellung in der Betriebshierarchie
darstelle und mit welchen Verantwortlichkeiten sie ausgestattet bleibe und werde. Darüber
hinaus sehe sie eine frauenspezifische Benachteiligung bei der Beförderungsentscheidung.
Auch kämen auf der wirklichen Führungsebene Frauen nicht an, obwohl das Unternehmen
weiblich dominiert sei.
14 Anlässlich eines Gespräches am 20. Dezember 2006 in B zwischen Herrn R, der Klägerin und
den drei weiteren dort tätigen Mitarbeiterinnen der Personalverwaltung erläuterte Herr R, dass
es künftig die Begriffe Personaldirektion und Personalverwaltung nicht mehr geben werde.
Stattdessen existiere nur noch eine Personalabteilung, die aus der „Personalabteilung M“, die
er leite, sowie aus der „Personalabteilung B“, welche die Klägerin leite, bestehe. Die Klägerin
bat darum, ihr diese unveränderte hierarchische Einordnung schriftlich zu bestätigen, was Herr
R zusagte.
15 Am Nachmittag dieses Tages äußerte Herr R in einem weiteren Gespräch mit der Klägerin, sie
solle sich überlegen, wie sie ihre berufliche Zukunft sehe. Über dieses Gespräch hat die
Klägerin einen Aktenvermerk gefertigt.
16
Das Mitglied des Vorstandes der Beklagten Dr. H teilte der Klägerin mit Schreiben vom
3. Januar 2007 ua. Folgendes mit:
„Der Vorstand hat entschieden, die Personaldirektion in ‚Personalabteilung!
umzubenennen. ‚Personalabteilung! ist ein feststehender Begriff und für die Funktion in
zahlreichen Unternehmen gebräuchlich.
Die fachliche und disziplinarische Leitung der Personalabteilung übernimmt der
Personalleiter, Herr R.
Weiterhin hat der Vorstand entschieden, den Begriff ‚Personalverwaltung!
abzuschaffen. Im Ergebnis gibt es innerhalb der GE eine Personalabteilung, welche
zukünftig als Einheit GE-weit als Dienstleister tätig ist. Sie selbst sind innerhalb der
Personalabteilung weiterhin als Abteilungsleiterin tätig. In dieser Funktion unterstehen
Sie fachlich und disziplinarisch dem Personalleiter.
Die Besetzung der Position des Personalleiters durch Herrn R wurde ausschließlich
aus fachlichen Erwägungen heraus getroffen. Gründe für eine Benachteiligung wegen
des Geschlechts sind nicht gegeben. ...
Ich fordere Sie daher auf, Ihren arbeitsvertraglichen Verpflichtungen zukünftig
nachzukommen und im Rahmen Ihrer arbeitsvertraglichen Verpflichtungen den
Weisungen Ihres Vorgesetzten, Herrn Personalleiter R, nachzukommen. Dies bedeutet
insbesondere, die durch den Vorstand beschlossene neue Organisationsstruktur des
Personalbereichs im Rahmen der mittelfristigen Unternehmensplanung aktiv
unternehmensintern und -extern mit umzusetzen.“
17 Diesem Schreiben heftete ein Klebezettel von Herrn R an, wonach er den Inhalt mit Dr. Mü
abgesprochen habe und keine arbeitsrechtlichen Bedenken bestünden.
18 Mit Schreiben ihrer damaligen Prozessbevollmächtigten vom 6. Februar 2007 lies die Klägerin
darauf hinweisen, dass sie als Frau diskriminiert worden sei. So erhalte sie insbesondere ein
deutlich geringeres Gehalt als Herr R und sei bei dessen Beförderung diskriminierend
übergangen worden. Auch seien ihre Kompetenzen und Befugnisse beschränkt worden.
Gleichzeitig machte sie Ansprüche auf Ersatz des materiellen und immateriellen Schadens
geltend, den sie auch bezifferte. Hierauf antwortete die Prozessbevollmächtigte des Beklagten
mit Schreiben vom 8. Februar 2007 ua., dass sich durch die Umbenennung der
Personaldirektion in „Personalabteilung“ an der Position der Klägerin zunächst nichts
verändere. Sie sei beauftragt mitzuteilen, dass derzeit unternehmensintern geprüft werde, ob
aufgrund der vollzogenen Änderungen weitere Maßnahmen, insbesondere auch auf der
Leitungsebene in M und B erforderlich seien. Die im Schreiben des Vorstandes vom 3. Januar
2007 enthaltene Anmahnung zur Einhaltung der vertraglichen Pflichten sei kein Vorwurf der
Schlecht- bzw. Minderleistung. Es habe nur bedeutet, dass die Klägerin verpflichtet sei,
innerhalb der bestehenden Hierarchie und Organisationsstrukturen ihren arbeitsvertraglichen
Verpflichtungen und den Weisungen ihres direkten Vorgesetzten, Herrn R, nachzukommen.
19 Am 11. April 2007 traf sich in M eine Projektgruppe „Gehaltsbänder“, deren Lenkungsgremium
die Klägerin angehörte. Die Einladungen der Teilnehmer waren mittels zweier E-Mails durch
Frau Ha erfolgt. In den Adresszeilen waren ua. die Namen der Klägerin und des Herrn R
aufgeführt. Auf die Äußerung der Klägerin: „Guten Morgen, Herr R“ erwiderte dieser den Gruß
nicht, sondern entgegnete: „Was wollen Sie denn hier? Wer hat Sie denn eingeladen? Ich hätte
Sie nicht eingeladen.“ Bei einem Treffen am nächsten Tag in B erläuterte Herr R seine
Äußerungen dahingehend, dass die Klägerin an solchen Veranstaltungen künftig per
Videokonferenz teilnehmen solle. Dies diene der Kostenersparnis und ihrem effizienteren
Einsatz. Als die Klägerin entgegnete, dass sie eine weitere Teilnehmerin aus dem B Haus über
die Möglichkeit der Videokonferenz unterrichten wolle, antwortete Herr R, dass dies etwas
ganz anderes sei.
20 Nach Einreichung der Klage mit Schriftsatz vom 4. Mai 2007 (Klageeingang am selben Tage)
fand am 22. August 2007 in M ein außergerichtliches Vergleichsgespräch statt. In dessen
Verlauf äußerte Dr. Mü, die Klägerin solle sich genau überlegen, ob sie einen längeren
Rechtsstreit durchstehen könne, weil solche Prozesse für Arbeitnehmer generell sehr
belastend seien. Auch solle sie prüfen, ob sie das körperlich und seelisch aushalte. Der jetzige
Prozessbevollmächtigte der Klägerin erklärte hierzu, ein längerer Prozess könne auch für die
vom Beklagten benannten Zeugen unangenehm sein. Während dieses Wortwechsels erklärte
Dr. Mü auch, seine Ausführungen erfolgten „off records“.
21 Mit Aushang vom 7. Januar 2008 machte der Beklagte bekannt, dass Herr R „Personalleiter
der GD B, GD M und der Bezirksdirektionen“ mit Wirkung ab 1. Januar 2008 zum „Direktor
Personal ernannt“ wurde.
22 Bis zur Schließung der Bezirksdirektion Ha am 30. September 1997 war Frau W dort als
Bezirksdirektorin beschäftigt. Sodann wurde ihr die Position einer Sachgebietsleiterin
(organisatorisch unter dem Bezirksdirektor eingestuft) in der Bezirksdirektion N angeboten,
welche sie auch annahm. Drei Monate später wurde dort die Position der Leitung der
Bezirksdirektion an Herrn Ba, Direktor der Direktion Außendienst in der Generaldirektion M,
ohne Ausschreibung neu vergeben.
23 Mit Anzeige vom 9. April 2005 suchte der Beklagte für den Standort D eine/n
Bezirksdirektor/in. Bewerber/Bewerberinnen sollten über ein Studium der
Wirtschaftswissenschaften verfügen. Die Bewerbung der Frau Gr, der dortigen
stellvertretenden Bezirksdirektorin, fand keine Berücksichtigung, obwohl sie über das
gewünschte Studium verfügte. Nachdem zum Bewerbungsgespräch nur männliche Bewerber
eingeladen worden waren, wurde ein Bewerber eingestellt, der über kein Hochschulstudium
verfügt, sondern staatlich geprüfter Betriebswirt ist.
24 Anlässlich einer Abteilungsvideokonferenz im April 2008 zwischen den Standorten B und M
sprach Herr R auf einen Beitrag der Klägerin diese als „Frau C“ an. Nachdem die Klägerin
klargestellt hatte, dass sie sich gemeldet hatte, antwortete dieser: „Na dann wird uns Frau K in
einem halben Jahr mal über den Stand unterrichten“.
25 Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass sie wegen ihres Geschlechts bei der Besetzung der
Leitungsstelle der bundesweit tätigen Personaldirektion (später: Personalabteilung) des
Beklagten im Dezember 2006 übergangen worden sei und dass sie vom Beklagten nach
Wahrnehmung ihrer Rechte nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
wiederum diskriminiert, insbesondere eingeschüchtert worden sei und ihr seitens des
Beklagten Kompetenzen entzogen würden. Sie meint, Indiz für ihre Diskriminierung sei ua.,
dass im Zusammenhang mit der Besetzung der Stelle in D im April 2005 und ihrer Nachfrage,
weshalb Frau Gr nicht in Betracht käme, Herr Dr. Mü sinngemäß bezogen auf ein damaliges
Vorstandsmitglied geantwortet habe: „Sie kennen ja Herrn Dr. Kr. Der will halt keine Frauen“.
Ein weiteres Indiz ergebe sich aus dem zahlenmäßigen Vergleich der Zusammensetzung von
Gesamtbelegschaft nach Geschlechtszugehörigkeit einerseits und der der Direktorenstellen
andererseits. Unter Verwendung der konkreten Beschäftigungszahlen beim Beklagten und
unter Berücksichtigung der allgemein anerkannten wissenschaftlichen Grundsätze für
Wahrscheinlichkeitsrechnungen liege die Wahrscheinlichkeit der Geschlechterdiskriminierung
einer Frau bei der Beförderung auf eine der Direktorenstellen zwischen 98,7 und 100 %. Die
Wahrscheinlichkeit der Geschlechterdiskriminierung bei dem Beklagten ergebe sich auch aus
den von ihr eingereichten Privatgutachten des Diplom-Mathematikers Sch vom 10. Mai 2008
und vom 26. Juli 2008. Weiteres Indiz sei die Nichtberücksichtigung von Frau S bei der
Beförderung.
26 Auch sei sie durch den Aushang vom 10. Dezember 2006 betriebsöffentlich erniedrigt worden.
Für ihre Benachteiligung durch den Beklagten sei auch ihre Teilzeittätigkeit und damit mittelbar
ihr Geschlecht verantwortlich gewesen. Für ihre Diskriminierung sprächen ferner Vorgänge, an
denen sie als Leiterin der Personalverwaltung B - im Gegensatz zu früheren Gepflogenheiten -
nicht beteiligt worden sei. Als Reaktion auf die Geltendmachung ihrer Rechte versuche der
Beklagte, ihr Kompetenzen zu entziehen. Auch habe Herr R bei dem Gespräch am Nachmittag
des 20. Dezember 2006 keinen Zweifel daran gelassen, dass er eine vertrauensvolle
Zusammenarbeit mit ihr gerade wegen ihrer Berufung auf das AGG als nicht mehr möglich
ansehe. Mit Schreiben vom 3. Januar 2007 habe der Beklagte den falschen Eindruck erweckt,
sie habe in der Vergangenheit ihre Pflichten nicht erfüllt.
27
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, ihr 28.214,66 Euro brutto nebst Zinsen zu zahlen,
2. den Beklagten zu verurteilen, ihr in Zukunft über das bezogene Gehalt hinaus
monatlich weitere 1.467,86 Euro brutto zu zahlen,
3. hilfsweise für den Fall der Zurückweisung des Antrages zu 1. und 2., den
Beklagten zu verurteilen, ihr in Zukunft nach Maßgabe der Auskunft über die
Vergütung des Herrn R (Gehalt bis 9. Dezember 2006) gleich dem Herrn R zu
zahlen,
4. den Beklagten zu verurteilen, ihr eine Entschädigung nach dem Ermessen des
Gerichts zu zahlen, mindestens jedoch 60.000,00 Euro,
5. soweit nicht durch die Anträge zu 2., 3. und 4. bereits ausgeglichen, festzustellen,
dass der Beklagte verpflichtet ist, ihr die materiellen und immateriellen Schäden
zu ersetzen, die ihr im Zeitraum zwischen Dezember 2006 und Juli 2008 durch
das Verhalten des Beklagten entstanden sind oder künftig entstehen werden
aufgrund der Verletzung des Gebots der Gleichbehandlung von Mann und Frau
(Art. 3 Abs. 3 GG, Art. 141 EGV, § 1 AGG) durch die unterbliebene Beförderung
auf die Stelle einer Leiterin der bundesweit tätigen Personalabteilung des
Beklagten sowie durch die sonstigen Benachteiligungen, die Maßnahmen nach
§ 16 AGG darstellen, aufgrund der Verletzung der Gesundheit und aufgrund der
Verletzung des Persönlichkeitsrechts,
6. den Beklagten zu verurteilen, ihr über die Höhe des Herrn R gezahlten variablen
Entgelts für das laufende Jahr jeweils bis Ablauf des ersten Quartals im
Folgejahr, beginnend mit dem 31. März 2009, Auskunft zu erteilen.
28 Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
29 Er behauptet, Herr R sei Anfang 2000 beim Beklagten eingestellt worden, um die
konzeptionelle Personalarbeit voranzutreiben. Er habe sich schon bei seinen früheren
Arbeitgebern im Bereich der konzeptionellen, strategischen Personalarbeit einen Namen
gemacht. Dies ergebe sich auch aus seinen Zeugnissen. Herr R habe ab dem Jahre 2000 für
den Beklagten schwerpunktmäßig konzeptionelle Personalarbeit erbracht und ein
Personalentwicklungskonzept erarbeitet, welches dem Vorstand mit Schreiben vom
1. September 2000 zugeleitet worden sei, der die Umsetzung befürwortet habe. Die Klägerin
habe demgegenüber keine Erfahrungen in der Erarbeitung von strategischen, konzeptionellen
Personalprojekten. Die Vorkenntnisse und Erfahrungen des Herrn R seien nicht nur für die
ursprüngliche Einstellung, sondern auch für die Beförderung im Dezember 2006 maßgeblich
gewesen. Schon von der Ausbildung, der sonstigen Vorbildung und den Kenntnissen her seien
er und die Klägerin nicht vergleichbar. Daher sei die Klägerin als Bewerberin bei der
Beförderung im Dezember 2006 schon objektiv nicht geeignet gewesen. Zwar habe ein
konkretes Anforderungsprofil nicht schriftlich vorgelegen, doch habe bei den
Entscheidungsträgern Einverständnis darüber bestanden, dass der neue Personalleiter
Berufserfahrung in der strategischen, konzeptionellen Personalarbeit und ein einschlägiges
Universitätsstudium mit Schwerpunkt Personalwesen oder ein juristisches Studium aufweisen
müsse.
30 Ziel des Aushanges vom 10. Dezember 2006 sei es gewesen, die Umbenennung der
Personaldirektion in Personalabteilung und die Übernahme der ehemals von Dr. Mü
ausgeführten Arbeiten durch Herrn R mitzuteilen. Die Position der Klägerin als Leiterin der
Personalverwaltung B sei hierdurch nicht berührt worden, insbesondere seien ihr keine
Kompetenzen entzogen worden. Der Aushang sei insofern allenfalls missverständlich,
jedenfalls nicht diskriminierend.
31 Soweit mit dem Schreiben der damaligen Beklagtenvertreterin vom 8. Februar 2007 weitere
Maßnahmen angedeutet worden seien, sei dies Ausdruck der unternehmerischen Freiheit. Im
Übrigen sei dieses Schreiben dem Beklagten im Sinne des Diskriminierungsrechts nicht
zuzurechnen, da die Rechtsanwältin als Dritte gehandelt habe.
32 Die Teilnahme der Klägerin am 11. April 2007 am Treffen der Projektgruppe „Gehaltsbänder“
sei nicht notwendig gewesen. Dies zeige sich schon an ihren geringen Wortmeldungen. Es sei
auch darum gegangen, die Notwendigkeit von Dienstreisen genau zu prüfen. Die Nachfrage
von Herrn R beruhe darauf, dass er über die Einladung der Klägerin nicht informiert gewesen
sei.
33 Bei der Nichtberücksichtigung von Frau Gr bei Bewerbungsverfahren für den Standort D im
Jahre 2005 habe der ausgewählte Kandidat in dieser größten Bezirksdirektion Impulse für
andere Bezirke geben sollen. Die hierfür erforderlichen Kenntnisse seien intern nicht
vorhanden gewesen. Insbesondere habe Frau Gr über keine Erfahrung im externen Bereich
verfügt. Das von der Klägerin vorgelegte Zahlenmaterial zum Verhältnis weibliche/männliche
Mitarbeiter beim Beklagten allein sei nicht geeignet, den Nachweis einer Diskriminierung zu
erbringen. Vorliegend sei schon nicht ersichtlich, wie viele Männer und/oder Frauen sich
jeweils zu früheren Zeiten beworben hätten.
34
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Zunächst hat das Landesarbeitsgericht mit
Teilurteil vom 30. Juli 2008 die Berufung der Klägerin insoweit zurückgewiesen als sie sich
gegen die Abweisung ihrer Klage auf Zahlung der Differenz zur Vergütung des Herrn R für den
Zeitraum 1. Januar 2000 bis 9. Dezember 2006 gerichtet hatte. Einen Anspruch der Klägerin
gegen den Beklagten auf Zahlung der Gehaltsdifferenz unter dem Gesichtspunkt des
Gleichbehandlungsgebots hat das Landesarbeitsgericht verneint, weil die Klägerin keine der
Tätigkeit des Mitarbeiters R gleichwertige Arbeit geleistet habe. Eine Benachteiligung der
Klägerin wegen ihres Geschlechts hat das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang nicht
gesehen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht den Beklagten durch
Schlussurteil zur Zahlung der Differenz zwischen der Vergütung der Klägerin und der des
Herrn R vom 1. Januar 2007 bis 31. Juli 2008 in Höhe von insgesamt 28.214,66 Euro brutto
und zeitlich unbegrenzt für die Zukunft zur Zahlung von monatlich 1.467,86 Euro brutto
verurteilt. Darüber hinaus hat es den Beklagten zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von
20.000,00 Euro und zur künftigen Auskunftserteilung über die Höhe des Herrn R jeweils für
das vergangene Jahr gezahlten variablen Entgelts verurteilt. Im Übrigen hat es die Berufung
der Klägerin zurückgewiesen. Mit der teilweise vom Landesarbeitsgericht und teilweise vom
Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Beklagte Klageabweisung in vollem
Umfange. Die Klägerin verfolgt mit ihrer Revision und Hilfsanschlussrevision im Wesentlichen
ihre in der Berufungsinstanz gestellten Anträge weiter und beantragt im Übrigen die
Zurückweisung der Revision des Beklagten.
Entscheidungsgründe

35 Die Revisionen und die Anschlussrevision sind begründet.
36 A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Der Beklagte sei der Klägerin nach § 15 Abs. 1 AGG zum Schadensersatz in Höhe von
28.214,66 Euro brutto nebst Zinsen für die Zeit vom 1. Januar 2007 bis 31. Juli 2008
verpflichtet, weil er sie bei der Besetzung einer Beförderungsstelle im Dezember 2006 wegen
ihres Geschlechts benachteiligt habe. Die Klägerin habe mit der vorgelegten Statistik über
das Verhältnis zwischen dem Frauenanteil der Belegschaft des Beklagten einerseits und dem
Frauenanteil in oberen Führungspositionen andererseits Indizien dargelegt, welche ihre
Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten ließen. Als
ausreichendes Indiz iSd. § 22 AGG für die Geschlechterdiskriminierung bei der Beförderung
genüge, dass beim Beklagten alle 27 Führungspositionen mit Männern besetzt seien, obwohl
Frauen 2/3 der Belegschaft stellten. Dies könne nicht darauf beruhen, dass Familie und Beruf
schwer vereinbar seien, weil dies sich nur darauf auswirke, ob eine Frau sich überhaupt für
die Berufstätigkeit entscheide, nicht jedoch darauf, welche Hierarchiestufe sie erreiche. Aus
signifikanten Zuständen der Vergangenheit, dass nämlich auch Frau G die Funktion der
Personaldirektorin nur kommissarisch übertragen worden sei und dass es seit 1976 keine
weitere Direktorin, Bezirksdirektorin oder Vorstandsfrau beim Beklagten gebe, könne auf die
Gegenwart geschlossen werden. Demgegenüber sei dem Beklagten nicht der Nachweis
gelungen, dass kein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot vorgelegen habe.
Insbesondere sei sein Vortrag, es sei bei den wesentlichen Entscheidungsträgern klar
gewesen, dass Voraussetzung für die streitgegenständliche Beförderung ein einschlägiges
juristisches oder ein Universitätsstudium mit Schwerpunkt Personalwesen sowie Kenntnisse
und Erfahrungen in der Personalentwicklungsarbeit sei, unsubstantiiert. Da der Beklagte
seine Auswahlkriterien vorab nicht nach außen dokumentiert habe, könne er sich auch nicht
mehr auf diese berufen. Dies gelte auch, soweit er damit die mangelnde objektive Eignung der
Klägerin begründen wolle. Von der mangelnden Eignung der Klägerin könne auch deshalb
nicht ausgegangen werden, weil diese wie Herr R bereits zuvor die Personalverwaltung einer
Generaldirektion geleitet habe. Bei diskriminierungsfreier Auswahl wäre die Klägerin die am
besten geeignete Bewerberin gewesen. Die Höhe des materiellen Schadensersatzes
entspreche der Differenz zwischen der tatsächlich erhaltenen Vergütung und der Vergütung,
die auf der höherwertigen Stelle gezahlt werde. Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte die
Pflichtverletzung nicht zu vertreten habe und für ein Mitverschulden der Klägerin lägen nicht
vor.
37 Die Klage auf Zahlung der künftigen Gehaltsdifferenzen iHv. monatlich 1.467,86 Euro brutto
sei zulässig und begründet, weil die Besorgnis bestehe, dass der Beklagte die Zahlung nicht
freiwillig erbringen werde. Dieser Anspruch sei zeitlich unbegrenzt, weil die Rechtsgedanken
der § 628 BGB, §§ 9, 10 KSchG hier nicht einschlägig seien. Aus denselben Erwägungen sei
auch die Klage auf Auskunft über die Höhe des an Herrn R gezahlten variablen Entgelts
begründet.
38 Ferner sei der Beklagte verpflichtet, an die Klägerin eine Entschädigung iHv. 20.000,00 Euro
wegen einer schwerwiegenden Verletzung des Persönlichkeitsrechts, Art. 1, 2 GG iVm.
§ 823 BGB, zu zahlen. Sie sei bei der Beförderung wegen ihres Geschlechts benachteiligt
worden, weshalb eine Entschädigung iHv. 4.000,00 Euro gerechtfertigt und angemessen sei.
Schließlich werde die Klägerin, nachdem sie sich gegen den Eindruck des
Kompetenzentzuges durch den Aushang vom 10. Dezember 2006 und eine Diskriminierung
bei der Beförderungsentscheidung wehre, herabgewürdigt und bewusst unter Druck gesetzt.
Dies zeige die Bemerkung des Herrn R vom 20. Dezember 2006, dass die Klägerin über ihre
berufliche Zukunft nachdenken solle, und das Schreiben vom 3. Januar 2007, in dem sie
aufgefordert wurde, zukünftig ihren arbeitsvertraglichen Verpflichtungen nachzukommen und
der daran befindliche Klebezettel. Dafür spreche auch das Schreiben vom 8. Februar 2007, in
dem Überlegungen zu Änderungen auf der Leitungsebene angekündigt wurden, das
Verhalten des Herrn R am 11. April 2007 und bei der Videokonferenz im April 2008 sowie der
Einschüchterungsversuch des Herrn Dr. Mü beim außergerichtlichen Vergleichsgespräch am
22. August 2007. Die entsprechenden Verhaltensweisen seien auch dem Beklagten
zuzurechnen. Für die zeitlich der unterbliebenen Beförderung nachfolgenden Handlungen sei
eine Entschädigung von 16.000,00 Euro gerechtfertigt. Der darüber hinausgehende, von der
Klägerin geltend gemachte Entschädigungsanspruch stehe ihr nicht zu.
39 Der geltend gemachte Antrag auf Feststellung der Schadensersatzpflicht des Beklagten für
die der Klägerin bis Juli 2008 entstandenen materiellen und immateriellen Schäden sei in
großen Teilen unzulässig, weil nicht ersichtlich sei, welche weiteren materiellen und
immateriellen Ansprüche über die bereits geltend gemachten hinaus in Betracht kommen
könnten.
40 B. Die zulässige Revision des Beklagten ist begründet; sie führt zur Aufhebung des
angefochtenen Urteils, soweit es der Klage stattgegeben hat, und zur Zurückverweisung der
Sache an das Landesarbeitsgericht.
41 I. Die Klage auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 28.214,66 Euro brutto nebst
Zinsen ist zwar zulässig, aber nicht zur Endentscheidung reif.
42 1. Die Klage ist ausreichend bestimmt, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Aus den in der
Berufungsverhandlung vom 30. Juli 2008 eingereichten Vergütungstabellen, in deren Kontext
der Antrag erstmals beziffert worden ist, ergibt sich, dass er sich auf entgangenen
Mehrverdienst für die Zeit vom 1. Januar 2007 bis einschließlich 31. Juli 2008 bezieht und die
dem Mitarbeiter R im Jahre 2007 gezahlte variable Vergütung in Höhe von 8.291,00 Euro
enthält. Auch der Übergang von der Stufenklage zur bezifferten Zahlungsklage in der zweiten
Instanz war zulässig. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, dass es sich
hierbei nicht um eine Klageänderung gehandelt hat (vgl. BGH 21. Februar 1991 - III ZR
169/88 - NJW 1991, 1893).
43 2. Den Anspruch der Klägerin auf Schadensersatz in Höhe von 28.214,66 Euro brutto nebst
Zinsen hat das Landesarbeitsgericht mit einer Begründung bejaht, die einer
revisionsrechtlichen Überprüfung nicht standhält.
44 a) Zu Recht geht das Landesarbeitsgericht zunächst davon aus, dass die Begründetheit des
geltend gemachten Schadensersatzanspruchs nach dem AGG zu beurteilen ist. Gem. § 33
AGG ist auf mögliche Benachteiligungen eines Beschäftigten wegen eines in § 1 AGG
genannten Grundes, welche seit dem 18. August 2006 stattgefunden haben, das AGG
anzuwenden. Die Nichtberücksichtigung der Klägerin bei der streitbefangenen
Personalentscheidung erfolgte nicht vor dem 9. Dezember 2006 und damit nach dem
17. August 2006.
45 b) Die Klägerin ist Beschäftigte iSd. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AGG, ohne dass es hierfür darauf
ankäme, ob sie für die Position der Leiterin der übergeordneten Personalabteilung objektiv
geeignet war. Die objektive Eignung eines Bewerbers ist keine Tatbestandsvoraussetzung
für einen Schadensersatzanspruch nach § 15 Abs. 1 oder Abs. 2 AGG (Senat 18. März 2010
- 8 AZR 77/09 - DB 2010, 1534).
46 c) Die zweimonatige Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG und die dreimonatige des § 61b
Abs. 1 ArbGG für die schriftliche und die gerichtliche Geltendmachung des
Schadensersatzanspruchs sind durch das Schreiben der Klägerin vom 6. Februar 2007, dem
Beklagten spätestens am 8. Februar 2007 zugegangen, und die am 4. Mai 2007
eingegangene Klage gewahrt. Dabei kann offenbleiben, ob § 61b Abs. 1 ArbGG
Schadensersatzansprüche gem. § 15 Abs. 1 AGG überhaupt erfasst. Nach den
Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wurde der Klägerin am 9. Dezember 2006
telefonisch mitgeteilt, dass der Mitarbeiter R definitiv Nachfolger des Personaldirektors Dr. Mü
werde. Damit begann die Frist des § 15 Abs. 4 Satz 1 ArbGG erst ab diesem Zeitpunkt zu
laufen, § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG.
47 d) Ein Schadensersatzanspruch nach § 15 Abs. 1 AGG setzt voraus, dass der
Anspruchsgegner gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG
verstoßen hat (vgl. Senat 28. Mai 2009 - 8 AZR 536/08 - AP AGG § 8 Nr. 1 = EzA AGG § 8
Nr. 1 zum Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG).
48 Der Begründung des Landesarbeitsgerichts, warum die Nichtberücksichtigung der Klägerin
bei der Übertragung der Aufgaben des Dr. Mü auf einen Nachfolger eine Benachteiligung der
Klägerin wegen ihres Geschlechts (§ 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG) darstellt, folgt der Senat nicht.
49 aa) Die Klägerin macht geltend, sie sei deshalb nicht Nachfolgerin des Dr. Mü geworden, weil
sie eine Frau sei.
50 Eine unmittelbare Benachteiligung iSd. § 3 Abs. 1 AGG liegt dann vor, wenn die sich
nachteilig auswirkende Maßnahme direkt an das verbotene Merkmal anknüpft (vgl. Senat
18. März 2010 - 8 AZR 77/09 - DB 2010, 1534). Dabei kommt es nicht darauf an, ob die
Anknüpfung verdeckt oder offen erfolgt. Eine verdeckte Diskriminierung ist nicht stets eine
mittelbare Diskriminierung iSd. § 3 Abs. 2 AGG. Sowohl die unmittelbare als auch die
mittelbare Benachteiligung können offen oder verdeckt erfolgen, je nachdem, ob direkt an ein
verbotenes (unmittelbare Diskriminierung) bzw. nur dem Anschein nach neutrales Merkmal
(mittelbare Diskriminierung) offen oder verdeckt angeknüpft wird (vgl. Schleusener in
Schleusener/Suckow/Voigt AGG 2. Aufl. § 3 Rn. 14; Richardi NZA 2006, 881). Die Frage, ob
es sich bei verdeckter Diskriminierung in Form von tatsächlich unmittelbar an das Geschlecht
anknüpfenden Beförderungsentscheidungen um eine mittelbare oder eine unmittelbare
Diskriminierung handelt, war nicht gem. Art. 267 AEUV dem Gerichtshof der Europäischen
Union zur Vorabentscheidung vorzulegen.
51 Für die Entscheidung des Rechtsstreits kommt es nämlich letztlich nicht darauf an, ob eine
verdeckte Benachteiligung eine mittelbare oder eine unmittelbare Benachteiligung darstellt,
weil die Beweislastregel des § 22 AGG allgemein für Benachteiligungen iSd. AGG und damit
entsprechend der Vorgabe des Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der
Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und
Beschäftigungsfragen (Neufassung) (im Folgenden: RL 2006/54/EG) sowohl für eine
unmittelbare als auch für eine mittelbare Diskriminierung gilt.
52 bb) Zutreffend kommt das Berufungsgericht zu dem Ergebnis, dass die Klägerin ungünstiger
behandelt worden ist als der Mitarbeiter R, dem als Nachfolger von Dr. Mü die Leitung der
Personalabteilung übertragen worden ist. In dieser Maßnahme des Beklagten lag eine
Beförderung, die nach dem anzulegenden objektiven Maßstab vorteilhaft war. Die
Übertragung höherwertiger oder verantwortungsvollerer Tätigkeiten stellt grundsätzlich eine
günstige Behandlung in Form des beruflichen Aufstiegs dar. Dies gilt insbesondere, wenn
- wie im Streitfalle - einem Arbeitnehmer Funktionen eines Mitarbeiters übertragen werden,
der auf einer höheren Hierarchiestufe angesiedelt war. Dr. Mü war als Personaldirektor auf
der Ebene der Direktoren angesiedelt. Dementsprechend wurde auch der Mitarbeiter R nach
Übertragung der von jenem ausgeübten Tätigkeiten zum 1. Januar 2008 zum „Direktor
Personal“ ernannt.
53 Für die Annahme einer Benachteiligung der Klägerin ist es unmaßgeblich, dass sie sich für
die Position des Personalleiters nicht beworben hatte. Eine Benachteiligung iSd. § 3 AGG
kann auch vorliegen, wenn eine Bewerbung deshalb unterblieben ist, weil der Arbeitgeber
- wie im Streitfalle - seine Auswahl ohne eine Ausschreibung der Stelle oder eine
Aufforderung zu Bewerbungen getroffen hat.
54 cc) Ebenfalls zutreffend nimmt das Landesarbeitsgericht an, die Klägerin sei in einer
vergleichbaren Situation schlechter behandelt worden als der Mitarbeiter R.
55 Das Vorliegen einer vergleichbaren Situation iSd. § 3 Abs. 1 AGG setzt voraus, dass die
Klägerin objektiv für die Position der Leiterin der Personalabteilung geeignet war, denn
vergleichbar (nicht: gleich) ist die Auswahlsituation nur für Arbeitnehmer, die gleichermaßen
die objektive Eignung für die zu besetzende Stelle aufweisen. Maßgeblich für die objektive
Eignung ist dabei nicht das formelle Anforderungsprofil, welches der Arbeitgeber erstellt hat,
sondern die Anforderungen, welche der Arbeitgeber an einen Stellenbewerber stellen durfte.
Zunächst ist davon auszugehen, dass der Arbeitgeber über den der Stelle zugeordneten
Aufgabenbereich und die dafür geforderten Qualifikationen des Stelleninhabers frei
entscheiden darf. Durch das Stellen von Anforderungen an Bewerber, die nach der im
Arbeitsleben herrschenden Verkehrsanschauung durch die Erfordernisse der
wahrzunehmenden Aufgaben unter keinem nachvollziehbaren Gesichtspunkt gedeckt sind,
darf er allerdings die Vergleichbarkeit der Situation nicht willkürlich gestalten und dadurch den
Schutz des AGG de facto beseitigen (Bestätigung und Fortführung von: Senat 18. März 2010
- 8 AZR 77/09 - DB 2010, 1534). Die objektive Eignung ist zu trennen von der individuellen
fachlichen und persönlichen Qualifikation des Bewerbers, die nur als Kriterium der
Auswahlentscheidung auf der Ebene der Kausalität zwischen Benachteiligung und
verbotenem Merkmal eine Rolle spielt.
56 Das Landesarbeitsgericht hat die objektive Eignung der Klägerin mit einer Hauptbegründung
und einer Hilfsbegründung bejaht. Zumindest letztere hält einer revisionsrechtlichen
Überprüfung stand.
57 So geht das Landesarbeitsgericht in dieser davon aus, dass von der objektiven Eignung der
Klägerin für die Leitung der Personalabteilung vor dem Hintergrund ihrer bisherigen Tätigkeit
ausgegangen werden müsse. Ob dieses Merkmal, wie das Landesarbeitsgericht annimmt,
nur dann zu verneinen ist, wenn die Eignung offensichtlich fehlt, braucht ebenso wenig
entschieden zu werden wie die Anwendbarkeit der Beweislastregel des § 22 AGG in diesem
Zusammenhang. Der Beklagte wäre bereits nach den allgemeinen Grundsätzen des § 138
ZPO gehalten gewesen darzulegen, inwiefern die Klägerin objektiv für die Position der
übergeordneten Personalleitung nicht geeignet war. Sie war unstreitig seit 1995
stellvertretende Leiterin der Personalverwaltung der Generaldirektion B mit 340 Mitarbeitern,
leitete diese Ende der 1990er-Jahre bereits für fünf Monate faktisch, übernahm jedenfalls ab
2003 die Aufgaben der Leitung offiziell und wurde zum 1. Januar 2006 zur Abteilungsleiterin
der Generaldirektion B ernannt. Sie war dabei im gleichen Umfange wie ihr Kollege R
zeichnungsberechtigt und nahm klassische Aufgaben der Personalleitung, wie etwa die
Durchführung von Bewerbungsgesprächen, das Verfassen von Abmahnungen oder die
Fertigung von Betriebsratsanhörungen vor Kündigungen wahr. Sowohl bei früheren
Arbeitgebern als auch bei dem Beklagten führte sie Tätigkeiten durch, welche dem Bereich
der Personalentwicklung zuzuordnen waren. Bei dieser Sachlage hätte es dem Beklagten
oblegen, im Einzelnen darzutun, inwieweit sich die bisher von der Klägerin ausgeführten
Tätigkeiten von denen unterscheiden, die ihr Kollege R bislang erledigt hatte, und welche
weiteren fachlichen und/oder persönlichen Anforderungen der Mitarbeiter R im Gegensatz zur
Klägerin erfüllte. Der Beklagte hat sich aber nur abstrakt darauf berufen, Voraussetzungen für
die Leitung der Personalabteilung seien ein einschlägiges Universitätsstudium und
Vorkenntnisse im Bereich der konzeptionellen, strategischen Personalarbeit gewesen.
Hinsichtlich der anfallenden Tätigkeiten führt er nur aus, der Personalleiter agiere als
Bindeglied zum Vorstand und berate diesen rechtlich. Weiter obliege ihm die mittelfristige
Unternehmensplanung im Hinblick auf die Personalstrategie sowie die alleinige konzeptionelle
Verantwortung. Dies ist im Hinblick auf die hierfür erforderlichen Fähigkeiten und die
Kenntnisse des Stelleninhabers nicht aussagekräftig. Auch erläutert der Beklagte nicht
eindeutig, was er unter „moderner“ oder „strategisch konzeptioneller“ Personalarbeit versteht,
die nach seinem Vortrag vor der Einstellung des Dr. Mü im Jahre 1999 bei ihm nicht
stattgefunden hat.
58 dd) Die Eignung der Klägerin ist auch nicht infolge des Teilurteils des Landesarbeitsgerichts
vom 30. Juli 2008 zu verneinen. Mit Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde durch
Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 11. Februar 2009 (- 5 AZN 1023/08 -) ist das
Teilurteil formell rechtskräftig geworden, weil die von der Klägerin eingelegte
Verfassungsbeschwerde kein Rechtsmittel darstellt und den Eintritt der formellen und
materiellen Rechtskraft nicht hemmt (BAG 16. Januar 2003 - 2 AZR 735/00 - AP ZPO § 322
Nr. 38 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 166). Der ausschlaggebende, die
Klageabweisung tragende Grund wird Teil des in Rechtskraft erwachsenden
Entscheidungssatzes und ist nicht allein ein Element der Entscheidungsbegründung (BGH
24. Juni 1993 - III ZR 43/92 - NJW 1993, 3204). Auch wenn insofern die tatsächlichen
Feststellungen nicht an der Rechtskraft der gefällten Entscheidung teilhaben, darf diese nicht
mit dem Vorbringen ausgehöhlt werden, das rechtskräftige Urteil gründe sich auf unrichtige
tatsächliche Feststellungen. Zu den Rechtskraftwirkungen gehört deshalb die Präklusion der
im ersten Prozess vorgetragenen Tatsachen, welche zu einer Abweichung von einer
rechtskräftig festgestellten Rechtsfolge führen sollen (BGH 11. November 1994 - V ZR
46/93 - NJW 1995, 967). Die Feststellung im Teilurteil, die Positionen, auf welche die Klägerin
einerseits und der Mitarbeiter R andererseits ursprünglich eingestellt worden seien, seien
nicht auf der gleichen Hierarchiestufe angesiedelt gewesen, sagt jedoch über die objektive
Eignung der Klägerin für die im Dezember 2006 besetzte Beförderungsstelle nichts aus.
Gleiches gilt für die unterschiedliche Qualität der jeweils absolvierten Ausbildungen, von der
das Teilurteil ausgeht, und wegen der es ua. auch die Gleichwertigkeit der bisherigen
Tätigkeiten der Klägerin und des Mitarbeiters R verneint hat. Es ist nämlich unklar, welche
zusätzlichen Kenntnisse und Fähigkeiten die Beförderungsstelle erfordert.
59 ee) Die Verfahrensrüge des Beklagten gegen die tatsächlichen Feststellungen des
Landesarbeitsgerichts zur Eignung der Klägerin greift nicht durch. Auch soweit er die
richterliche Aufklärungspflicht nach § 139 ZPO für verletzt hält, weil das Landesarbeitsgericht
seinen Vortrag als unsubstantiiert angesehen und keinen Beweis erhoben habe, ohne vorher
von seinem Fragerecht Gebrauch zu machen, ist die Verfahrensrüge ebenfalls unbegründet.
Von einer Begründung seiner Entscheidung sieht der Senat insoweit gem. § 564 ZPO iVm.
§ 72 Abs. 5 ArbGG ab.
60 ff) Erfolg hat jedoch die Rüge des Beklagten gegen die Annahme des Landesarbeitsgerichts,
die Benachteiligung der Klägerin sei wegen ihres Geschlechts erfolgt.
61 Eine unzulässige Benachteiligung nach § 7 AGG kann bereits dann vorliegen, wenn einer der
in § 1 AGG genannten Gründe, zu denen auch das Geschlecht zählt, Bestandteil eines
Motivbündels war, das die streitbefangene Entscheidung beeinflusst hat (st. Rspr., vgl. Senat
20. Mai 2010 - 8 AZR 287/08 (A) - NZA 2010, 1006; 18. März 2010 - 8 AZR 77/09 - DB 2010,
1534).
62 Mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts kann eine solche Mitursächlichkeit nicht
angenommen werden.
63 Der Beklagte rügt zu Recht, das Berufungsgericht habe § 286 ZPO durch die Annahme
verletzt, bereits das zahlenmäßige Geschlechterverhältnis in seiner Belegschaft einerseits
und die ausschließlich männliche Besetzung von 27 Positionen auf der Ebene des
Vorstandes, der Direktoren und der Bezirksdirektoren andererseits sei ein ausreichendes
Indiz dafür, dass das Geschlecht der Klägerin (auch) Motiv für die unterbliebene Beförderung
gewesen sei.
64 Die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Würdigung, ob die Klägerin Tatsachen
vorgetragen hat, die ihre Benachteiligung wegen eines verpönten Merkmals iSd. § 1 AGG
vermuten lassen (§ 22 AGG), ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob sie möglich
und in sich widerspruchsfrei ist, gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder andere
Rechtssätze verstößt und ob alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände in
sich widerspruchsfrei beachtet worden sind (Senat 17. Dezember 2009 - 8 AZR 670/08 - EzA
AGG § 15 Nr. 6).
65 Nach der gesetzlichen Beweislastregelung des § 22 AGG genügt es, dass der
Anspruchssteller Indizien vorträgt und im Streitfalle beweist, die eine Benachteiligung wegen
eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen. An diese
Vermutungsvoraussetzungen ist kein zu strenger Maßstab anzulegen. Es ist nicht
erforderlich, dass die Tatsachen einen zwingenden Indizienschluss für eine Verknüpfung der
Benachteiligung mit einem Benachteiligungsmerkmal zulassen. Vielmehr reicht es aus, wenn
nach allgemeiner Lebenserfahrung hierfür eine überwiegende Wahrscheinlichkeit besteht
(Senat 17. Dezember 2009 - 8 AZR 670/08 - EzA AGG § 15 Nr. 6).
66 Hat der Antragssteller ein Indiz vorgetragen, welches die überwiegende Wahrscheinlichkeit
begründet, dass er wegen eines verpönten Merkmals benachteiligt worden ist, muss nunmehr
der Arbeitgeber seinerseits den vollen Beweis führen, dass kein Verstoß gegen die
Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligungen vorgelegen hat (Senat 17. Dezember 2009
- 8 AZR 670/08 - EzA AGG § 15 Nr. 6). Die Würdigung, ob der Anspruchssteller der durch
§ 22 AGG modifizierten Darlegungslast genügt hat, unterliegt damit ebenso der freien
Überzeugung des Tatsachengerichts nach § 286 Abs. 1 ZPO wie dies hinsichtlich der
Erbringung des „Vollbeweises“ durch die darlegungs- und beweispflichtige Partei der Fall ist
(vgl. zu § 611a BGB aF: Senat 24. April 2008 - 8 AZR 257/07 - AP AGG § 33 Nr. 2 = EzA
BGB 2002 § 611a Nr. 6).
67 Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält die Würdigung des Berufungsgerichts jedoch
nicht stand.
68 Zunächst ist dessen Annahme, dass sich auch aus Statistiken grundsätzlich Indizien für eine
Geschlechterdiskriminierung ergeben können, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. So
weist bereits die Gesetzesbegründung zu § 22 AGG ausdrücklich darauf hin, dass „auch die
Ergebnisse von Statistiken … im Rahmen der richterlichen Würdigung des Sachverhalts
einen tatsächlichen Anhaltspunkt“ für eine Benachteiligung „darstellen können“ (BT-Drucks.
16/1780 S. 47). Eine Begrenzung auf Fälle mittelbarer Diskriminierung ist der
Gesetzesbegründung nicht zu entnehmen und auch nicht geboten. Ausreichend sind nämlich
für die Vermutungswirkung des § 22 AGG solche Indizien, die aus einem regelhaft einem
Merkmalsträger gegenüber geübten Verhalten auf eine solchermaßen (mit) motivierte
Entscheidung schließen lassen (vgl. Senat 24. April 2008 - 8 AZR 257/07 - AP AGG § 33
Nr. 2 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 6). Eine Vermutung für ein derartig regelhaftes Verhalten
kann sich aus statistischen Daten aber nur dann ergeben, wenn sie sich konkret auf den
betreffenden Arbeitgeber beziehen und im Hinblick auf dessen Verhalten aussagekräftig sind.
Gegen die Berücksichtigung von Statistiken im Rahmen des § 22 AGG spricht nicht, dass
damit möglicherweise von in der Vergangenheit erfolgten Diskriminierungen auf die
Gegenwart geschlossen wird. Ein regelhaft einem Geschlecht gegenüber geübtes Verhalten
kann nämlich gerade nur durch die Betrachtung der Vergangenheit ausgemacht werden.
Auch in der Literatur wird ganz überwiegend angenommen, dass aussagekräftige Statistiken
im Rahmen des § 22 AGG eine Rolle spielen können (Wendeling-Schröder/Stein AGG § 22
Rn. 25; Schiek/Kocher AGG § 22 Rn. 30; Rühl/Schmid/Viethen AGG S. 169;
Meinel/Heyn/Herms AGG 2. Aufl. § 22 Rn. 29; Boemke/Dankow AGG im Arbeitsrecht § 10
Rn. 14; Grobys NZA 2006, 898; Windel RdA 2007, 1; Bauer/Evers NZA 2006, 893;
Bayreuther NJW 2009, 806; Bauer/Göpfert/Krieger AGG 2. Aufl. § 22 Rn. 11; Dahm BB 2010,
1792).
69 Nichts anderes ergibt sich aus dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 18. Oktober 2005
(- 3 AZR 506/04 - BAGE 116, 152 = AP BetrAVG § 1 Unverfallbarkeit Nr. 13 = EzA EG-
Vertrag 1999 Art. 141 Nr. 19). Dort wird die Heranziehung von Statistiken nicht generell
abgelehnt, sondern vorgelegtes Datenmaterial für die Vermutung der behaupteten
Diskriminierung als nicht hinreichend aussagekräftig bewertet.
70 Die Klägerin macht als unmittelbares Indiz für ihre Benachteiligung eine „gläserne Decke“
zwischen der Hierarchieebene, auf der sie tätig ist (Abteilungsleiterebene), und derjenigen,
auf die sie bei benachteiligungsfreier Auswahl nach ihrer Meinung hätte aufsteigen müssen
(Direktorenebene), geltend. Damit behauptet sie, dass Frauen regelhaft nicht in bestimmte
Hierarchieebenen des Beklagten aufsteigen können. Darüber, ob eine solche Vermutung
begründet ist, kann nur die statistische Betrachtung der Beförderungspolitik des Arbeitgebers
Aufschluss geben, soweit sie die fraglichen Hierarchieebenen betrifft.
71 Das Landesarbeitsgericht hat nicht alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände
in sich widerspruchsfrei und ohne Verstoß gegen Denkgesetze berücksichtigt. Es hat aus
der Besetzung der Positionen auf der Ebene oberhalb der Abteilungsdirektoren mit Männern
und Frauen im Verhältnis zum Frauenanteil an der Gesamtbelegschaft darauf geschlossen,
dass der unstreitig weit unterdurchschnittliche Frauenanteil in den oberen Führungsebenen
des Beklagten auf einer „gläsernen Decke“ beruhe. Daraus hat das Berufungsgericht auf eine
regelhafte Benachteiligung von Frauen wegen des Geschlechts in der Vergangenheit
geschlossen. Allein das Verhältnis zwischen dem Frauenanteil der Gesamtbelegschaft und
dem in oberen Führungspositionen lässt allerdings einen Rückschluss auf die
Ungleichbehandlung von Frauen beim beruflichen Aufstieg in bestimmte Hierarchieebenen
eines Unternehmens nicht zu. Der Schluss auf eine regelhafte Nichtberücksichtigung von
Frauen bei Beförderungsentscheidungen macht zwar nicht erforderlich, dass vom Bewerber
im Rahmen der Darlegung von Indizien (§ 22 Halbs. 1 AGG) oder vom Arbeitgeber im
Rahmen der Vermutungswiderlegung (§ 22 Halbs. 2 AGG) alle konkreten
Bewerbersituationen bei den bisherigen Beförderungsentscheidungen dargelegt werden. Eine
Benachteiligung kann nämlich auch gerade in der Gestaltung des dem Bewerbungsverfahren
zeitlich vorgelagerten Verfahrens liegen (vgl. BVerfG 16. November 1993 - 1 BvR 258/86 -
BVerfGE 89, 276). Um beurteilen zu können, ob signifikant weniger Frauen als Männer die
Hierarchiestufe oberhalb einer angenommenen „gläsernen Decke“ erreichen, bedarf es
allerdings der Feststellung, wie viele Frauen überhaupt unterhalb dieser angekommen sind.
Darüber gibt der Anteil von Frauen an der Gesamtbelegschaft keinen Aufschluss.
72 Es ist nicht frei von Denkfehlern, wenn das Landesarbeitsgericht ergänzend zu dem
Gesamtanteil an der Belegschaft darauf abstellt, bei dem Beklagten wäre mit einem
Frauenanteil von 44 % auf den Ebenen vom Abteilungsdirektor abwärts bis zu den sonstigen
AT-Beschäftigen „ein genügend großes Reservoire zur Beförderung auch von Frauen“
vorhanden gewesen. Hierfür müsste nämlich feststehen, welche Positionen auf den Ebenen
„Abteilungsdirektor aufwärts“ im Einzelnen existieren und von welchen Positionen darunter
liegender Ebenen tatsächlich eine Beförderung dorthin denkbar war und ist. So wird
beispielsweise die Personalleiterin einer Generaldirektion üblicherweise nicht auf die Position
einer Marketingdirektorin befördert. Auch ansonsten besteht nicht für jeden Inhaber einer
Position einer niedereren Ebene objektiv betrachtet eine Beförderungsmöglichkeit auf eine
höhere Ebene.
73 Selbst unter der Prämisse, es existiere aufgrund des Frauenanteils beim Beklagten
tatsächlich ein Reservoire für Beförderungen von Frauen auf die Führungsebenen oberhalb
der behaupteten „gläsernen Decke“, berücksichtigt das Landesarbeitsgericht in seiner
Annahme, es bestehe mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine „gläserne Decke“, nicht alle
vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände. Als mögliche Gründe für die
mangelnde Repräsentation von Frauen oberhalb einer bestimmten Ebene geht das
Landesarbeitsgericht nämlich im Ergebnis nur von echtem Zufall oder einer diskriminierenden
Haltung des Beklagten aus. So wertet es den Einwand des Beklagten, zahlreiche Direktoren
hätten Betriebszugehörigkeiten von mehr als 30 Jahren, lediglich als Eingeständnis, in der
Vergangenheit sei möglicherweise „eine Politik der Benachteiligung von Frauen“ vorhanden
gewesen. Allein die Tatsache, dass bei einem Arbeitgeber in Führungspositionen zahlreiche
Männer mit sehr langen Betriebszugehörigkeiten arbeiten, begründet ohne weitere
Anhaltspunkte nicht die Vermutung für eine frühere diskriminierende Haltung des
Arbeitgebers gegenüber Frauen.
74 Soweit das Landesarbeitsgericht die gesellschaftlichen Verhältnisse bei seiner Würdigung der
Geschlechterverteilung nicht berücksichtigen will, hält auch dies einer revisionsrechtlichen
Überprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht übersieht dabei, dass ein Arbeitgeber gar
nicht in der Lage, geschweige denn verpflichtet ist, gesellschaftliche Gegebenheiten, die der
Erwerbstätigkeit und/oder dem beruflichen Aufstieg von Frauen entgegenstehen, durch seine
Personalpolitik auszugleichen. Insoweit widerspricht es allgemeinen Erfahrungssätzen, wenn
das Berufungsgericht annimmt, die schlechte Vereinbarkeit von Familie und Beruf könne sich
nicht auf den Anteil von Männern und Frauen in höheren Hierarchieebenen auswirken, weil
damit allenfalls erklärt werde, dass Frauen sich generell nicht im selben Maße wie Männer für
eine Berufstätigkeit entscheiden. Es entspricht vielmehr allgemeiner Lebenserfahrung, dass
ein beruflicher Aufstieg häufig eine nicht unerhebliche Flexibilität voraussetzt (zB Bereitschaft
zur Leistung von Überstunden, Teilnahme an Fortbildungsmaßnahmen und Tagungen,
Durchführung von Dienstreisen und Versetzungsbereitschaft an andere Standorte), welche
sich mit der häufig von Frauen ausschließlich oder überwiegend wahrgenommenen
Kindererziehung nicht oder nur schlecht vereinbaren lässt, und die auf niedrigeren
Hierarchiestufen nicht in gleichem Maße gefordert wird. Auch wirken sich längere
Unterbrechungen der Erwerbstätigkeit wegen Arbeitsfreistellungen infolge von
Schwangerschaft, Mutterschutz und (bislang überwiegend von Frauen in Anspruch
genommener) Elternzeit negativ auf die Chancen zum beruflichen Aufstieg aus, obwohl der
Arbeitsplatz als solcher während dieser Zeiten der Arbeitnehmerin grundsätzlich garantiert ist.
Dabei müssen solche Aufstiegsvoraussetzungen bzw. „-hindernisse“ durchaus nicht
ihrerseits immer verbotene Diskriminierungen von Arbeitnehmerinnen darstellen. Häufig
könne diese iSd. § 3 Abs. 2 AGG sachlich gerechtfertigt oder in Einzelfällen sogar nach § 8
Abs. 1 AGG zulässig sein.
75 Dass nicht die genannten Faktoren, sondern eine regelhaft diskriminierende
Beförderungspolitik des Beklagten mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Grund für die
fehlende Repräsentation von Frauen auf den Führungsebenen der Beklagten ist, ist auch
nicht aus den vom Landesarbeitsgericht angeführten Vergleichszahlen anderer Unternehmen
zu folgern. Der Vergleich des Anteils von Frauen auf Führungspositionen bei anderen
Unternehmen stellt kein Indiz für das Vorliegen einer „gläsernen Decke“ beim Beklagten dar.
Es fehlt insoweit an vergleichbarem und damit aussagekräftigem Tatsachenmaterial.
Insbesondere soweit das Berufungsgericht zum Vergleich den hohen Anteil von weiblichen
Führungskräften bei privaten Banken, im Gesundheits- und Sozialwesen, in der privaten
Dienstleistungsbranche und bei obersten Bundesbehörden anführt, ist festzustellen, dass der
Beklagte als Verwertungsgesellschaft urheberrechtlicher Nutzungsrechte an Musikwerken
grundsätzlich andere Aufgaben wahrnimmt als die vom Landesarbeitsgericht zum Vergleich
herangezogenen Unternehmen und es somit an einer Vergleichbarkeit der Branchen fehlt. In
der Regel muss nämlich nach Vergleichszahlen in der jeweils vergleichbaren Branche und
Berufsgruppe gefragt werden (Bayreuther NJW 2009, 806). Selbst bei Heranziehung von
Vergleichszahlen aus derselben Branche zeigen diese nur, welcher Frauenanteil dort üblich
ist. Für die Vermutung, dass im hier zu entscheidenden Einzelfalle eine Frauendiskriminierung
vorliegt, reicht dies aber nicht aus. Es fehlt sowohl an der Üblichkeit als auch an
irgendwelchen rechtlichen Vorgaben dafür, dass auf allen Hierarchieebenen eines
Unternehmens eine annähernd gleiche Verteilung der Geschlechter vorliegen muss. Dazu
sind die Tätigkeiten in Führungspositionen und solche in unteren Ebenen (zB Produktion,
Verwaltung) zu unterschiedlich. Dies gilt vor allem auch hinsichtlich des Anforderungsprofils,
das an die Stelleninhaber zu stellen ist.
76 Da das AGG bei der Überprüfung von Beförderungsentscheidungen auf den Einzelfall
abstellt, genügt es im Regelfall auch nicht für ein „Indiz“ iSd. § 22 AGG, wenn lediglich
„auffällige Ungleichgewichte“ beim Frauenanteil in verschiedenen Hierarchieebenen eines
Unternehmens vom Anspruchssteller anhand von Statistiken bewiesen sind (vgl. auch
Wendeling-Schröder FS Pfarr S. 158). Für die Annahme einer geschlechtsbezogenen
Diskriminierung von Frauen bei Beförderungsentscheidungen bedarf es über die bloße
Statistik hinaus weiterer Anhaltspunkte.
77 Zudem ist unklar, auf welchen Zeitraum sich die Zahlenangaben des Landesarbeitsgerichts
beziehen und inwieweit der vom Landesarbeitsgericht verwendete Begriff der
„Führungsposition“ mit den streitbefangenen „Führungspositionen“ beim Beklagten
vergleichbar ist. Gleiches gilt, soweit das Landesarbeitsgericht ganz allgemein auf den
Frauenanteil in „Betrieben mit 500 und mehr Beschäftigten“ oder auf „Großunternehmen
(mindestens 20 Mio. EUR Jahresumsatz und/oder über 200 Beschäftigte)“ abstellt.
78 Die Frage, ob eine „gläserne Decke“ die Vermutung für eine Benachteiligung der Klägerin iSd.
§ 22 AGG begründen kann, oder unter welchen Voraussetzungen auf das Vorliegen einer
solchen zu schließen ist, war nicht gem. Art. 267 AEUV dem Gerichtshof der Europäischen
Union zur Vorabentscheidung vorzulegen. Diese Fragen sind zwar entscheidungserheblich,
betreffen aber nicht die Auslegung von Gemeinschaftsrecht. Vielmehr stellt die
Beweiswürdigung iSd. § 22 AGG durch das nationale Gericht ausschließlich die Anwendung
nationalen Rechts dar, die durch das Gemeinschaftsrecht gerade keine Regelung erfahren
hat und damit dem nationalen Gericht vorbehalten bleibt. Art. 19 Abs. 1 der RL 2006/54/EG
bestimmt, dass die Mitgliedstaaten im Einklang mit dem System ihrer nationalen
Gerichtsbarkeit die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, nach denen dann, wenn Personen,
die sich durch die Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für beschwert halten und
bei einem Gericht Tatsachen glaubhaft machen, die das Vorliegen einer unmittelbaren oder
mittelbaren Diskriminierung vermuten lassen, es dem Beklagten obliegt zu beweisen, dass
keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes vorgelegen hat. Der Erfüllung dieser
europarechtlichen Vorgabe dient § 22 AGG. Wann das nationale Gericht eine glaubhaft
gemachte Tatsache als ausreichendes Indiz für die behauptete Diskriminierung anzusehen
hat, ist nicht Regelungsgegenstand der RL 2006/54/EG. Dies macht Nr. 30 der Erwägungen
zur Richtlinie deutlich. Dort heißt es: „Es ist jedoch klarzustellen, dass die Bewertung der
Tatsachen, die das Vorliegen einer mittelbaren oder unmittelbaren Diskriminierung vermuten
lassen, weiterhin der einschlägigen einzelstaatlichen Stelle im Einklang mit den
innerstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten obliegt“.
79 Auch die Hilfsbegründung des Landesarbeitsgericht hält einer revisionsrechtlichen
Überprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht nimmt hilfsweise an, die fehlende weibliche
Besetzung von Führungspositionen zusammen mit der Tatsache, dass der früheren
Mitarbeiterin G die Funktion der Personaldirektorin nur kommissarisch übertragen worden sei
und es seit 1976 keine weitere Direktorin mehr bei dem Beklagten gegeben habe, lasse es
als überwiegend wahrscheinlich erscheinen, dass das Geschlecht der Klägerin Motiv für die
unterbliebene Beförderung gewesen sei. Bei dieser Würdigung lässt das
Landesarbeitsgericht wesentliche Umstände außer Betracht. Wie dargelegt kommt allein dem
Anteil der Frauen in der Ebene oberhalb der Abteilungsleiter nicht die vom
Landesarbeitsgericht angenommene Vermutungswirkung zu. Die Tatsache, dass seit
30 Jahren bei dem Beklagten keine Frau Direktorin war, hat ohne Zahlenmaterial darüber, ob
und ggf. in welchem Umfange es externe oder interne Bewerbungen von Frauen oder im
Betrieb für die Beförderungsstelle geeignete Mitarbeiterinnen gegeben hat, keine
Aussagekraft. Es kann nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht vermutet werden, dass in
den vergangenen 30 Jahren so viele geeignete Mitarbeiterinnen zur Verfügung gestanden
haben, dass die mangelnde Besetzung von Direktorenstellen mit Frauen auf
Diskriminierungen beruht hat. Auch insoweit hat das Landesarbeitsgericht zu Unrecht
gesellschaftliche Faktoren nicht in seine Würdigung mit einbezogen.
80 Die nur kommissarische Übertragung der Funktion der Personaldirektorin auf die frühere
Mitarbeiterin G in den 1990er-Jahren entfaltet keine Vermutungswirkung für eine „gläsernen
Decke“. Als Indiz iSd. § 22 AGG für ein generell frauenfeindliches Umfeld ist diese, über zehn
Jahre zurückliegende nur kommissarische Übertragung der Direktorenposition auf die
Mitarbeiterin G nicht geeignet.
81 3. Die Verletzung des § 22 AGG iVm. § 286 Abs. 1 ZPO führt zur Aufhebung des
angefochtenen Urteils (§ 563 ZPO), weil dieses sich auch nicht aus anderen Gründen als
richtig erweist (§ 561 ZPO).
82 a) Das Urteil erweist sich nicht deshalb als zutreffend, weil etwa Anhaltspunkte dafür
bestehen, dass die Klägerin im Zusammenhang mit der Beförderung des Mitarbeiters R unter
Verstoß gegen § 4 Abs. 1 TzBfG wegen ihrer Teilzeitbeschäftigung und der dadurch
möglicherweise bedingten geringeren Kenntnisse und Erfahrungen in der konzeptionellen
Personalarbeit benachteiligt worden ist. Insbesondere kann die Übertragung der Aufgaben
der konzeptionellen Personalarbeit auf den Mitarbeiter R statt auf die Klägerin im Januar 2000
nicht darauf beruht haben, dass die Klägerin teilzeitbeschäftigt war. Ihre
Arbeitszeitverringerung erfolgte nämlich nach der bindenden Feststellung des
Landesarbeitsgerichts erst ab Mai 2001. Soweit der Beklagte erstinstanzlich vorgetragen hat,
die Klägerin habe wegen ihrer Teilzeittätigkeit aus zeitlichen Gründen ab dem Jahre 2000
nicht die Möglichkeit gehabt, Aufgaben der konzeptionellen Personalarbeit zu erledigen,
beruht dieser Sachvortrag ersichtlich auf einem Versehen.
83 b) Der Senat ist nicht in der Lage, im Hinblick auf die weiteren vom Berufungsurteil
festgestellten und als Indizien für eine Diskriminierung der Klägerin in Betracht kommenden
Umstände in der Sache selbst zu entscheiden, § 563 Abs. 3 ZPO, weil er seine Würdigung
der Indizien nach § 286 ZPO nicht an die Stelle der Würdigung durch das Tatsachengericht
setzen darf. Das Landesarbeitsgericht hat - aus seiner Sicht folgerichtig - keine
abschließende Aufklärung und Gesamtbetrachtung aller von der Klägerin vorgetragenen
Hilfstatsachen vorgenommen. Werden aber von dem Arbeitnehmer, der eine Benachteiligung
geltend macht, Hilfstatsachen vorgetragen, die jeweils für sich allein betrachtet nicht
ausreichen, um die Vermutungswirkung des § 22 AGG herbeizuführen, ist vom
Tatsachengericht eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, ob diese Hilfstatsachen zur
Begründung der Vermutungswirkung geeignet sind (vgl. zu § 611a BGB aF: Senat 24. April
2008 - 8 AZR 257/07 - AP AGG § 33 Nr. 2 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 6). Hierbei wird das
Landesarbeitsgericht bei seiner Würdigung, ob die Gesamtbetrachtung der von der Klägerin
vorgetragenen Umstände es als überwiegend wahrscheinlich erscheinen lässt, dass bei dem
Beklagten ein Umfeld gegeben ist, das dem beruflichen Aufstieg von Frauen generell
ablehnend gegenüber steht, ua. folgende Umstände mit einzubeziehen haben: die Vergabe
der Funktion der Leitung der Bezirksdirektion N an den Mitarbeiter Ba statt an die vormalige
Bezirksdirektorin der geschlossenen Bezirksdirektion Ha, W, im Jahre 1997, die
unterbliebene Berücksichtigung der stellvertretenden Bezirksdirektorin des Standortes D, Gr,
auf die Position der Bezirksdirektorin des Standortes zugunsten eines männlichen
Bewerbers, der nicht über das geforderte Hochschulstudium verfügte im Jahre 2005, und die
Tatsache, dass nur Männer als Beobachter für das 2007 durchgeführte Entwicklungsaudit für
die Ebenen Abteilungsdirektor/Abteilungsleiter fungierten. Des Weiteren könnte es eine
Indizwirkung iSd. § 22 AGG entfalten, wenn es zuträfe, dass Dr. Mü der Klägerin im
Zusammenhang mit der nicht erfolgten Beförderung der Mitarbeiterin Gr bezogen auf ein
damaliges Vorstandsmitglied mitgeteilt hatte, dass dieser keine Frauen wolle, und wenn
Männer bei dem Beklagten stets spätestens nach zwei Jahren bei entsprechender Tätigkeit
den Direktorentitel verliehen erhielten. Hinsichtlich der zeitlich nach Klageerhebung liegenden
Vorfälle wird das Berufungsgericht insbesondere auch berücksichtigen müssen, inwieweit
diese Indizien für die Benachteiligung der Klägerin wegen ihres Geschlechts sind oder
lediglich - wenn auch möglicherweise das Persönlichkeitsrecht der Klägerin verletzende -
Reaktionen auf einen bestehenden Konflikt darstellen und als solche mit dem Geschlecht der
Klägerin nicht im Zusammenhang stehen.
84 II. Die Revision des Beklagten ist auch begründet, soweit er sich gegen seine Verurteilung zu
einer monatlichen Zahlung von 1.467,86 Euro brutto wendet.
85 Ein entsprechender Anspruch der Klägerin gem. §§ 1, 7 Abs. 1, § 15 Abs. 1 AGG kann mit
der Begründung des Landesarbeitsgerichts nicht bejaht werden. Dessen Schlussfolgerung,
die Klägerin sei wegen ihres Geschlechts nicht befördert und damit unzulässig benachteiligt
worden, hält - wie oben dargelegt - einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
86 C. Begründet sind die Revisionen der Klägerin und des Beklagten soweit sie sich gegen die
Verurteilung zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 20.000,00 Euro richten.
87 I. Der auf Zahlung einer Entschädigung gerichtete Klageantrag ist zulässig, insbesondere ist
er hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
88 Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin die von ihr begehrte Entschädigung in das
Ermessen des Gerichts gestellt hat. Ein solcher Klageantrag ist hier zulässig, weil die
Bestimmung der Höhe des Anspruchs von billigem Ermessen abhängt und damit dem Gericht
ein Beurteilungsspielraum eingeräumt wird. Ist die Höhe des Anspruchs nach billigem
Ermessen des Gerichts zu bestimmen, ist ein unbezifferter Klageantrag zulässig, wenn der
Kläger Tatsachen benennt, die das Gericht bei seiner Ermessensentscheidung heranziehen
soll, und die Größenordnung der Forderung angibt (vgl. Senat 24. September 2009 - 8 AZR
705/08 - mwN, EzA AGG § 3 Nr. 1). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Klägerin hat
einen Sachverhalt dargelegt, den das Gericht bei seiner Ermessensentscheidung
heranziehen soll und der es grundsätzlich ermöglicht, eine Entschädigung zu bestimmen.
Ferner hat die Klägerin Angaben zur Größenordnung der Entschädigung, nämlich mindestens
60.000,00 Euro, gemacht.
89 II. Die Verurteilung des Beklagten durch das Landesarbeitsgericht zur Zahlung einer
Entschädigung in Höhe von 20.000,00 Euro an die Klägerin hält einer revisionsrechtlichen
Überprüfung nicht stand.
90 1. Zutreffend geht das Berufungsgericht bei der Prüfung der Begründetheit der
Entschädigungsklage davon aus, dass sich aus einer schwerwiegenden Verletzung des
Persönlichkeitsrechts ein Entschädigungsanspruch ergeben kann. Dabei hat es auf die
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu Entschädigungsansprüchen bei „Mobbing“
Bezug genommen. Danach ist „Mobbing“ kein Rechtsbegriff und damit auch keine
Anspruchsgrundlage für Ansprüche des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber oder gegen
Arbeitskollegen (Senat 24. April 2008 - 8 AZR 347/07 - AP BGB § 611 Haftung des
Arbeitgebers Nr. 42 = EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 8). Nicht alles, was als
„Mobbing“ bezeichnet wird, ist von rechtlicher, insbesondere arbeitsrechtlicher oder
schadensrechtlicher Relevanz. Macht ein Arbeitnehmer konkrete Ansprüche aufgrund
„Mobbings“ geltend, muss vielmehr jeweils geprüft werden, ob der in Anspruch Genommene
in den genannten Einzelfällen arbeitsvertragliche Pflichten, ein absolutes Recht des
Arbeitnehmers iSd. § 823 Abs. 1 BGB, ein Schutzgesetz iSd. § 823 Abs. 2 BGB verletzt oder
eine sittenwidrige Schädigung iSd. § 826 BGB begangen hat. Bei dieser Prüfung gilt es weiter
zu beachten, dass es Fälle gibt, in denen die einzelnen vom Arbeitnehmer dargelegten
Handlungen oder Verhaltensweisen seiner Arbeitskollegen oder seiner Vorgesetzten bzw.
des Arbeitgebers für sich allein betrachtet noch keine Rechtsverletzung darstellen, die
Gesamtschau der einzelnen Handlungen oder Verhaltensweisen jedoch zu einer Vertrags-
oder Rechtsgutsverletzung führt, weil deren Zusammenfassung aufgrund der ihnen zugrunde
liegenden Systematik und Zielrichtung zu einer Beeinträchtigung eines geschützten Rechts
des Arbeitnehmers führt (vgl. Senat 24. April 2008 - 8 AZR 347/07 - aaO). Eine solche
Systematik und Zielrichtung ist dann anzunehmen, wenn unerwünschte Verhaltensweisen
bezwecken oder bewirken, dass die Würde des Arbeitnehmers verletzt und ein durch
Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen
gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Dies entspricht weitgehend der nunmehr vom
Gesetzgeber in § 3 Abs. 3 AGG (in Kraft seit 18. August 2006) gewählten Definition des
Begriffes „Belästigung“. Danach ist eine Belästigung eine Benachteiligung, wenn
unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 AGG genannten Grund in
Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde des Arbeitnehmers
verletzt und ein durch Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen
oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Damit hat der Gesetzgeber
auch den Begriff des „Mobbings“ umschrieben, jedenfalls soweit dieses an die nach § 1 AGG
verpönten Merkmale anknüpft (vgl. Senat 24. April 2008 - 8 AZR 347/07 - aaO).
Entsprechend kann für die Fälle des „Mobbings“ eines Arbeitnehmers, gleich aus welchen
Gründen, an § 3 Abs. 3 AGG angeknüpft werden. Diese Norm zeigt vor allem, dass es
grundsätzlich auf die Zusammenschau der einzelnen „unerwünschten” Verhaltensweisen
ankommt, um zu beurteilen, ob „Mobbing” vorliegt. § 3 Abs. 3 AGG stellt nämlich darauf ab,
ob ein durch die unerwünschten Handlungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Ein
Umfeld wird aber grundsätzlich nicht durch ein einmaliges, sondern durch ein fortdauerndes
Verhalten geschaffen. Damit sind alle Handlungen bzw. Verhaltensweisen, die dem
systematischen Prozess der Schaffung eines bestimmten Umfeldes zuzuordnen sind, in die
Betrachtung mit einzubeziehen. Deshalb dürfen einzelne zurückliegende
Handlungen/Verhaltensweisen bei der Beurteilung nicht unberücksichtigt gelassen werden.
Wesensmerkmal der als „Mobbing” bezeichneten Form der Rechtsverletzung des
Arbeitnehmers ist damit die systematische, sich aus vielen einzelnen
Handlungen/Verhaltensweisen zusammensetzende Verletzung, wobei den einzelnen
Handlungen oder Verhaltensweisen für sich allein betrachtet oft keine rechtliche Bedeutung
zukommt (Senat 25. Oktober 2007 - 8 AZR 593/06 - BAGE 124, 295 = AP BGB § 611
Mobbing Nr. 6 = EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 7). Bei dieser Würdigung ist
zu berücksichtigen, dass im Arbeitsleben übliche Konfliktsituationen, die sich auch über einen
längeren Zeitraum erstrecken können, von der rechtlichen Bewertung auszunehmen sind.
Vielmehr sind die kritischen Verhaltensweisen aufgrund einer objektiven Betrachtungsweise
und ohne Rücksicht auf das subjektive Empfinden des betroffenen Arbeitnehmers zu
bewerten. Dies gilt auch im Verhältnis zu Vorgesetzten. Entsprechend stellen Weisungen, die
sich im Rahmen des Direktionsrechts des Arbeitgebers bewegen, und denen sich nicht
eindeutig eine schikanöse Tendenz entnehmen lassen, in der Regel keine Verletzung des
Persönlichkeitsrechts dar. Gleiches kann für den Rahmen des Direktionsrechts
überschreitende Weisungen gelten, denen jedoch sachlich nachvollziehbare Erwägungen des
Arbeitgebers zugrunde liegen. Daneben kann es an der die einzelnen Handlungen
zusammenfassenden Systematik fehlen, wenn verschiedene Vorgesetzte handeln und nicht
zusammenwirken oder wenn zwischen den einzelnen Teilakten lange zeitliche
Zwischenräume liegen (vgl. Senat 16. Mai 2007 - 8 AZR 709/06 - BAGE 122, 304 = AP BGB
§ 611 Mobbing Nr. 5 = EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 6).
91 2. Ob ein Gesamtverhalten als eine einheitliche Verletzung von Rechten des Arbeitnehmers
zu qualifizieren ist und ob einzelne Handlungen oder Verhaltensweisen für sich genommen
oder in der Gesamtschau einen rechtsverletzenden Charakter haben, unterliegt der
tatrichterlichen Würdigung und ist damit nur eingeschränkt revisionsrechtlich überprüfbar. Ob
Rechte des Arbeitnehmers verletzt worden sind, muss von den Tatsachengerichten aufgrund
einer Güter- und Interessenabwägung unter sorgsamer Würdigung aller Umstände des
Einzelfalles beurteilt werden. Diese Würdigung darf dem Berufungsgericht nicht entzogen
werden. Daher kann das Revisionsgericht nur überprüfen, ob das Landesarbeitsgericht
Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt, alle wesentlichen Umstände des
Einzelfalles beachtet und hinreichend gewürdigt hat und ob es in die vorzunehmende Güter-
und Interessenabwägung die wesentlichen Umstände des Einzelfalles in nachvollziehbarer
Weise mit einbezogen hat sowie ob das Urteil in sich widerspruchsfrei ist (vgl. Senat 24. April
2008 - 8 AZR 347/07 - AP BGB § 611 Haftung des Arbeitgebers Nr. 42 = EzA BGB 2002
§ 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 8).
92 3. Das Landesarbeitsgericht hat bei der Festsetzung der Höhe einer Entschädigung in Höhe
von 20.000,00 Euro zugunsten der Klägerin zu Unrecht in seine Gesamtschau eine
Persönlichkeitsrechtsverletzung der Klägerin durch die unterbliebene Beförderung mit
einbezogen. Wie oben dargelegt durfte das Landesarbeitsgericht mit der von ihm gegebenen
Begründung eine solche Persönlichkeitsrechtsverletzung nicht bejahen. Durch diese
unzulässige Miteinbeziehung dieses Sachverhalts erweist sich die gesamte Bewertung der
vom Landesarbeitsgericht angenommenen Persönlichkeitsrechtsverletzung als
rechtsfehlerhaft.
93 Insbesondere verstößt das Landesarbeitsgericht dadurch gegen das Erfordernis einer
Gesamtschau, dass es für den Fall, dass in der unterbliebenen Beförderung der Klägerin
keine Persönlichkeitsrechtsverletzung zu sehen sein sollte, für die nachfolgenden
Handlungen des Beklagten „zumindest eine Entschädigung in Höhe von 16.000,00 Euro“ als
„gerechtfertigt“ ansieht.
94 Eine solche getrennte Beurteilung ist nicht zulässig, weil die von der Klägerin geltend
gemachten Persönlichkeitsrechtsverletzungen nicht eindeutig in solche aufgespaltet werden
können, die im Zusammenhang mit der streitbefangenen Nichtbeförderung der Klägerin
stehen, und in solche die möglicherweise mit der unterbliebenen Beförderung nichts zu tun
haben. Alle von der Klägerin vorgetragenen Verletzungen stehen in einem Zusammenhang
und wären deshalb - soweit das Landesarbeitsgericht in ihnen Bestandteile einer Verletzung
des Persönlichkeitsrechts der Klägerin sieht - im Rahmen der erforderlichen Gesamtschau
zu berücksichtigen gewesen. Von einem solchen Zusammenhang der von der Klägerin zur
Stützung ihres Vorwurfs der Persönlichkeitsrechtsverletzung durch den Beklagten
herangezogenen Vorfälle ist auch das Landesarbeitsgericht ausgegangen. So nimmt es
beispielsweise an, dass der Beklagte mit dem Aushang vom 10. Dezember 2006 den
Eindruck eines „Kompetenzentzuges“ im Zusammenhang mit der getroffenen
Personalentscheidung zugunsten des Mitarbeiters R erweckt hat und dieser trotz der
Schreiben vom 3. Januar 2007 und 8. Februar 2007 an die Klägerin nach außen hin „weiter
aufrechterhalten“ worden ist. Des Weiteren nimmt das Berufungsgericht an, dass die
Klägerin, nachdem sie sich gegen den Eindruck „des Kompetenzentzuges“ und einer
Diskriminierung bei der Beförderungsentscheidung gewehrt hatte, einer Behandlung
ausgesetzt worden ist, die „sie herabwürdigt und bewusst unter Druck“ gesetzt hat. Damit
stellt das Landesarbeitsgericht alle nach der streitbefangenen Beförderungsentscheidung
seitens des Beklagten der Klägerin gegenüber getätigten Äußerungen und Verhaltensweisen
in einen Zusammenhang mit der als Persönlichkeitsverletzung gewerteten Nichtbeförderung
der Klägerin. Auch bei der Beurteilung der Schwere der Persönlichkeitsrechtsverletzung stellt
das Landesarbeitsgericht darauf ab, dass „ein Großteil des Verhaltens des Beklagten als
Reaktion auf die Wahrnehmung vermeintlicher Rechte durch die Klägerin nach dem AGG
angesehen werden kann“.
95 4. Eine abschließende Entscheidung in der Sache ist dem Senat verwehrt, weil das
Landesarbeitsgericht weder eine zutreffende Gesamtbetrachtung der vorgetragenen
Tatsachen/Geschehnisse vorgenommen noch alle anderen von der Klägerin vorgetragenen
Tatsachen, die als einzelne Handlungen oder in der Gesamtschau rechtsverletzenden
Charakter haben könnten, berücksichtigt hat.
96 So fehlen bereits Ausführungen dazu, ob das Landesarbeitsgericht aufgrund einer einzelnen
Handlung oder erst auf der Basis einer Gesamtschau mehrerer Handlungen eine
Persönlichkeitsrechtsverletzung angenommen hat und insbesondere, ob es insgesamt ein
systematisches Verhalten sieht, durch welches ein durch Einschüchterungen, Anfeindungen,
Erniedrigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen worden ist. Die
Würdigung, ob insgesamt ein systematisches Verhalten vorliegt, ist gerade deshalb nötig,
weil hier mehrere Personen gehandelt haben, so dass grundsätzlich geklärt werden muss, ob
diese zusammengewirkt haben. Auch dazu fehlen weitgehend Ausführungen im
angefochtenen Urteil. Lediglich bezüglich des Schreibens vom 3. Januar 2007 nimmt das
Landesarbeitsgericht ein Zusammenwirken zwischen Dr. Mü, Dr. H und Herrn R an. Darüber
hinaus hat das Landesarbeitsgericht auch einige von der Klägerin vorgetragene Tatsachen
nicht berücksichtigt. So ist es deren Behauptung nicht nachgegangen, dass im
Zusammenhang mit der Besetzung der Stelle in D im April 2005 und ihrer Nachfrage, weshalb
Frau Gr nicht in Betracht komme, Dr. Mü sinngemäß bezogen auf ein damaliges
Vorstandsmitglied geantwortet haben soll: „Sie kennen ja Herrn Dr. Kr, der will halt keine
Frauen“. Sollte diese Äußerung gefallen sein, könnte dies nicht nur auf eine beim Beklagten
nicht unübliche Frauendiskriminierung, sondern möglicherweise in der Gesamtschau mit den
Verhaltensweisen ab Dezember 2006 auch auf ein „frauenfeindliches Umfeld“ beim Beklagten
hindeuten. Ferner hat das Berufungsgericht nicht berücksichtigt, dass die Klägerin, obwohl
die Personalbetreuung nebst Abfassen von Abmahnungen zu ihren Aufgaben gehört, bei dem
Gespräch des Herrn R im Februar 2008 mit dem Mitarbeiter C. in B über die Aufhebung
dessen Arbeitsvertrages nicht beteiligt war und die von ihr im Januar 2008 für A K. formulierte
Ermahnung Frau S zur Prüfung vorgelegt wurde. Auch dies könnte in der Gesamtschau auf
eine Persönlichkeitsverletzung hindeuten.
97 III. Die Revision des Beklagten ist auch begründet, soweit sie sich gegen die Verurteilung zur
Auskunftserteilung über das dem Arbeitnehmer R gezahlte variable Entgelt richtet.
98 1. Die Klage auf Auskunft ist zulässig.
99 a) Der Klageantrag wurde zwar in dieser Form erstmals in der Berufungsverhandlung vom
30. Juli 2008 gestellt. Ob es sich dabei um eine nachträgliche Klageänderung gehandelt hat,
kann dahinstehen. Auch eine solche wäre nämlich nach § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 533 ZPO
zulässig gewesen, weil der Beklagte sich hierauf widerspruchslos eingelassen hat und
deshalb nach § 267 ZPO seine Einwilligung zur Klageänderung anzunehmen ist. Ob der
Antrag auf Tatsachen gestützt wird, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und
Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hatte, kann
ebenfalls offen bleiben. Ob und inwiefern die Berücksichtigung neuer Tatsachen im
arbeitsgerichtlichen Berufungsverfahren zulässig ist, richtet sich nicht nach § 531 Abs. 2
ZPO, sondern nach der Spezialregelung in § 67 ArbGG (BAG 25. Januar 2005 - 9 AZR
44/04 - BAGE 113, 247 = AP AEntG § 1 Nr. 22 = EzA AEntG § 1 Nr. 8). Hat das
Berufungsgericht - wie hier - Vorbringen zugelassen, ist dies im Revisionsverfahren
unanfechtbar und das vom Landesarbeitsgericht zugelassene Sachvorbringen zu
berücksichtigen, weil die Beschleunigungswirkung, der die Präklusionsvorschrift des § 67
ArbGG dient, nicht wieder herstellbar ist (vgl. BAG 19. Februar 2008 - 9 AZN 1085/07 - AP
ArbGG 1979 § 72a Nr. 60 = EzA ArbGG 1979 § 72 Nr. 37).
100 b) Der Antrag ist als Klage auf zukünftige Leistung nach § 258 ZPO zulässig. Er dient dem
Ziel, den Klageantrag zu 2) um den Betrag der zukünftigen variablen Vergütung des
Mitarbeiters R zu ergänzen.
101 2. Das Landesarbeitsgericht hat den Auskunftsanspruch jedoch mit einer nicht tragenden
Begründung bejaht. Auch insoweit wirkt sich die unzutreffende Würdigung des
Berufungsgerichts im Rahmen der angenommen Benachteiligung der Klägerin wegen ihres
Geschlechts aus.
102 IV. Auf die Revision der Klägerin war das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit es die
Klage auf Feststellung abgewiesen hat, dass der Beklagte zum Ersatz der durch sein
Verhalten bis Juli 2008 der Klägerin entstandenen und entstehen werdenden materiellen und
immateriellen Schäden verpflichtet ist.
103 1. Der Feststellungsantrag ist nicht bereits „in großen Teilen unzulässig“, wie das
Landesarbeitsgericht gemeint hat.
104 a) So besteht für den Feststellungsantrag in der in der Revisionsinstanz gestellten
(beschränkten) Fassung insbesondere das nach § 256 ZPO erforderliche
Feststellungsinteresse.
105 Die Annahme eines Feststellungsinteresses setzt voraus, dass dem betroffenen Recht oder
der Rechtslage eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit droht. Dies wird bei der
Feststellung einer Schadensersatzpflicht angenommen, wenn zukünftige, noch nicht
bezifferbare Schäden möglich sind. Dies gilt auch, wenn ihre Art, ihr Umfang und ihr Eintritt
noch ungewiss sind. Allerdings muss eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts
bestehen. Dafür genügt die nicht eben entfernt liegende Möglichkeit künftiger Verwirklichung
der Ersatzpflicht durch Auftreten weiterer, bisher noch nicht erkennbarer oder
voraussehbarer Leiden (Senat 16. Mai 2007 - 8 AZR 709/06 - BAGE 122, 304 = AP BGB
§ 611 Mobbing Nr. 5 = EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 6). Solches erscheint
bezogen auf die Formulierung im Feststellungsantrag „durch die unterbliebene Beförderung
auf die Stelle einer Leiterin der bundesweit tätigen Personalabteilung des Beklagten“ für die
Zeit ab Dezember 2006 als möglich.
106 b) Gleiches gilt für „sonstige Benachteiligungen, die Maßnahmen nach § 16 AGG darstellen“.
107 c) Darüber hinaus ist der Antrag hinreichend bestimmt gem. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
108 Der Klageantrag muss den erhobenen Anspruch nach Inhalt und Umfang konkret bezeichnen
und die Klageart ergeben. Insoweit ist bei Feststellungsanträgen erforderlich, dass sich für
den Fall der Klagestattgabe der objektive Umfang der Bindungswirkung der gerichtlichen
Entscheidung hinreichend feststellen lässt (BAG 23. Januar 2007 - 9 AZR 557/06 - AP BGB
§ 611 Mobbing Nr. 4). Dabei muss der Streitgegenstand so genau bezeichnet werden, dass
die eigentliche Streitfrage mit Rechtskraftwirkung zwischen den Parteien entschieden werden
kann (BAG 17. Juni 1997 - 1 ABR 10/97 -). Ausreichend ist allerdings, wenn der Antrag in
einer dem Bestimmtheitserfordernis genügenden Weise ausgelegt werden kann. Das Gericht
ist daher gehalten, eine entsprechende Auslegung des Antrages vorzunehmen, wenn
hierdurch eine vom Kläger erkennbar erstrebte Sachentscheidung ermöglicht wird. Dabei darf
es sich jedoch nicht über einen eindeutigen Antrag hinwegsetzen (vgl. BAG 17. Juni 1997
- 1 ABR 10/97 -). Darüber hinaus gilt es bei der Beurteilung der hinreichenden Bestimmtheit
zu beachten, dass ein Feststellungsantrag einerseits der Hemmung der Verjährung gem.
§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB dient und andererseits den Grund des klägerischen
Schadensersatzanspruchs klärt, so dass im Falle späterer Folgeschäden nur noch der
Ursachenzusammenhang mit dem Schadensereignis und die Schadenshöhe nachzuweisen
sind. Vor diesem Hintergrund sind die Anforderungen an die Bestimmtheit des Antrages
festzusetzen. Soll ein späterer Rechtsstreit über den Grund des Schadensersatzanspruchs
vermieden werden, muss dieser klar aus dem Feststellungsantrag hervorgehen. Insofern war
der ursprüngliche Feststellungsantrag - wie von der Klägerin in der Revisionsinstanz
klargestellt - so auszulegen, wie es sich aus dem Tatbestand (Ziff. 5 der Anträge) ergibt.
109 2. Ob das von der Klägerin geltend gemachte schadensersatzbegründende Verhalten des
Beklagten tatsächlich vorliegt, ist eine Frage der Begründetheit der Feststellungsklage und
kann durch den Senat aufgrund der vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen
nicht abschließend entschieden werden.
110
D. Das Landesarbeitsgericht wird bei seiner Kostenentscheidung auch über die Kosten der
Revision mitzuentscheiden haben.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen